Flurförderzeuge sicher bedienen: Zusatzqualifizierung nach DGUV G 308‑001
Flurförderzeuge – z. B. Gabelstapler, Schubmaststapler, Seitenstapler oder auch Mitgänger-Hubwagen – sind unverzichtbare Arbeitsmittel in Lager, Logistik und Produktion. Sie transportieren schwere Lasten, bewegen Paletten und sorgen dafür, dass Warenwege effizient und wirtschaftlich funktionieren. Gleichzeitig bergen sie erhebliche Gefahren: Unfälle durch falsche Bedienung, Kippgefahr, Sichtbehinderungen oder Fehlbedienungen sind keine Seltenheit. Daher ist eine fundierte Qualifizierung der Bediener essenziell – nicht nur für den Arbeitsschutz, sondern auch für die Rechtssicherheit und den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens.
In den letzten Jahren haben sich gesetzliche Rahmenbedingungen verschärft. Mit der **TRBS 1116 („Qualifikation, Unterweisung und Beauftragung von Beschäftigten für die sichere Verwendung von Arbeitsmitteln“) ** wurde die Betriebssicherheitsverordnung konkretisiert und klarer formuliert, welche Anforderungen an Qualifikation, Unterweisung und Beauftragung bestehen – insbesondere auch für Flurförderzeuge. Zudem gilt der DGUV Grundsatz 308-001 (Qualifizierung und Beauftragung der Fahrerinnen und Fahrer von Flurförderzeugen außer geländegängigen Teleskopstaplern) als zentrale Vorschrift, um sicherzustellen, dass Bedienpersonen theoretisch und praktisch befähigt sind.
Unsere These lautet daher: Die Zusatzqualifizierung ist nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern betriebswirtschaftlich und sicherheitstechnisch unverzichtbar. Sie schließt Wissens- und Kompetenzlücken, minimiert Unfallrisiken, schützt Mitarbeitende und Betrieb und kann letztlich Kosten sparen, etwa durch weniger Schäden, Ausfallzeiten und Versicherungsrisiken.
Grundlagen der Qualifizierung von Flurförderzeugführern
Stufe 1: Allgemeine Qualifizierung (Staplerschein)
Die allgemeine Qualifizierung, auch oft der klassische „Staplerschein“, bildet die Basisqualifikation nach DGUV Grundsatz 308-001.
Inhalt:
• Theoretischer Teil: Rechtliche Vorgaben (z. B. Unfallverhütungsvorschriften, Betriebsanleitungen), Technik der Flurförderzeuge (Aufbau, Antriebsarten), Standsicherheit, Tragfähigkeit, Umgang mit Lasten, ggf. Sondereinsätze.
• Praktischer Teil: Übungen mit dem Flurförderzeug – Transportieren, Stapeln, Absetzen von Lasten, Bedienung üblicher Anbaugeräte.
Ablauf & Anforderungen:
• Die Qualifizierung umfasst sowohl einen theoretischen als auch einen praktischen Teil.
• Zum Abschluss erfolgt eine Prüfung in Theorie und Praxis, bei bestandener Prüfung wird ein Fahrausweis („Staplerschein“) ausgestellt.
• Voraussetzungen: üblicherweise Mindestalter (z. B. 18 Jahre), körperliche Eignung, eventuell erforderliche Deutschkenntnisse.
Stufe 3: Betriebliche Qualifizierung
(Anmerkung: DGUV bezeichnet diese meist als Stufe 3, nach allgemeiner Qualifizierung und Zusatzqualifizierung/Stufe 2.)
Welche Aufgaben umfasst sie:
• Gerätebezogener Teil: Einweisung auf die tatsächlich im Betrieb vorhandenen Flurförderzeuge und Anbaugeräte. Das bedeutet, dass Bediener mit den spezifischen Modellen, Steuerungen und Besonderheiten vertraut gemacht werden, die in ihrem täglichen Einsatz vorkommen.
• Verhaltensbezogener Teil: Unterweisung über betriebliche Regeln, Verkehrswege innerhalb des Betriebs, Lagerung, Stapelregeln, Mitnahme von Personen, Nutzung von Anbaugeräten etc., wie sie in der Betriebsanweisung festgelegt sind (§ 5 der DGUV Vorschrift 68 „Flurförderzeuge“).
Dokumentation & Einweisung:
• Die Durchführung der betrieblichen Qualifizierung muss dokumentiert werden: Wer wurde wann auf welchem Gerät unterwiesen, welche Besonderheiten wurden gezeigt etc.
• Die Einweisung (specifically “gerätebezogen”) ist für jedes Gerät notwendig, bevor ein Bediener damit arbeitet, wenn Unterschiede bestehen gegenüber Gerät, mit dem er bisher gearbeitet hat.
Wer ist qualifiziert, um diese Ausbildungen/Schulungen durchzuführen
Wer Schulungen/Qualifizierungen für Flurförderzeugführer durchführt, muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen:
• Die Qualifizierung gemäß DGUV G 308-001, insbesondere in den Stufen 1 und 2, darf ausschließlich von fachlich kompetenten Ausbildern durchgeführt werden. Diese müssen spezifische Anforderungen erfüllen, um sicherzustellen, dass die Ausbildung gemäß den gesetzlichen Vorgaben erfolgt.
• Für den betrieblichen Teil sind Kenntnisse der spezifischen Geräte im Betrieb erforderlich (Gerätearten, Anbaugeräte, Besonderheiten).
Was ist die Zusatzqualifizierung (Stufe 2)?
Definition und rechtliche Grundlagen (§ DGUV G 308-001)
Die Zusatzqualifizierung, auch Zusatzausbildung oder Stufe 2 genannt, ist eine spezielle Erweiterung der Qualifizierung für Führerinnen und Führer von Flurförderzeugen. Sie folgt auf die allgemeine Qualifizierung (Stufe 1) und ist in DGUV Grundsatz 308-001 „Qualifizierung und Beauftragung der Fahrerinnen und Fahrer von Flurförderzeugen (außer geländegängigen Teleskopstaplern)“ normativ verankert.
Nach dem neuen Grundsatz (überarbeitet seit Dezember 2022) ist ausdrücklich festgelegt, dass die allgemeine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen sein muss, bevor eine Zusatzqualifizierung erfolgen darf.
Die Zusatzqualifizierung umfasst auch – wie die allgemeine Qualifizierung – einen theoretischen Teil und einen praktischen Teil, die jeweils mit einer Prüfung abgeschlossen werden müssen. Ebenso sind Anforderungen an die Dokumentation und den Nachweis einzuhalten.
Wann genau ist sie erforderlich: spezielle Bauarten / besondere Anbaugeräte
Eine Zusatzqualifizierung wird notwendig, wenn Bedienpersonen andere Flurförderzeugtypen bzw. spezielle Bauarten oder besondere Anbaugeräte einsetzen sollen, die über das in der allgemeinen Qualifizierung Gelernte hinausgehen. Beispiele:
• Spezielle Flurförderzeug-Bauarten wie Schubmaststapler, Seitenstapler, Dreiseitenstapler, Portalwagen, Portalhubwagen (Van Carrier), Reachstacker zum Containerhandling oder Gabelstapler zum Containerhandling.
• Besondere Anbaugeräte z. B. Klammern (insbesondere für Lasten über 1 Tonne), Spezialgreifer etc., d. h. Geräte, die über die üblichen Anbaugeräte hinausgehen und erhöhte Anforderungen an Bedienung, Sicht oder Technik stellen.
Darüber hinaus wird die Zusatzqualifizierung bei Geräten gefordert, wenn der Einsatz unter besonderen Bedingungen erfolgt, z. B. mit erhöhten Hubhöhen, engen Gängen oder speziellen Lastaufnahmemitteln.
Unterschied zur allgemeinen Qualifizierung
Die Zusatzqualifizierung unterscheidet sich von der allgemeinen Qualifizierung in mehreren wichtigen Punkten:
1. Voraussetzung: Die allgemeine Qualifizierung muss zuerst erfolgreich abgeschlossen sein. Ohne Stufe 1 keine Stufe 2.
2. Inhaltlicher Umfang: Während die allgemeine Qualifizierung die grundlegenden Kenntnisse vermittelt – Sicherheit, Technik, Umgang mit Standard-Flurförderzeugen und üblichen Anbaugeräten – geht Stufe 2 deutlich darüber hinaus. In Stufe 2 werden besondere Fahrzeug-Bauarten oder spezielle Anbaugeräte behandelt, die in der Praxis besondere Anforderungen an Bedienung und Sicherheit stellen.
3. Prüfung: Auch die Zusatzqualifizierung schließt ab mit theoretischer und praktischer Prüfung. Das bedeutet, dass nicht nur die Teilnahme zählt, sondern das Wissen und die Fertigkeiten geprüft werden müssen.
4. Dokumentation / Nachweise: Stufe 2 muss im Fahrausweis dokumentiert werden (Bauart, spezifische Geräte oder Anbaugeräte etc.). Zudem ist ein Qualifikationszertifikat auszustellen, das die behandelte Bauart oder das besondere Gerät bescheinigt.
5. Gefahren / Risiken: Zusatzqualifizierung adressiert speziell erhöhte Risiken, die entstehen durch besondere Bauart oder spezielle Arbeitsbedingungen, wie eingeschränkte Sicht, verändertes Verhalten in Kurven, komplexe Steuerung etc. Diese Aspekte sind in der allgemeinen Qualifizierung nur oberflächlich oder gar nicht abgedeckt.
Welche Bauarten erfordern Zusatzqualifikation?
Praxisbeispiele für Bauarten mit Zusatzqualifikation
• Schubmaststapler: Diese Bauart unterscheidet sich in vielen Punkten vom klassischen Frontgabelstapler – etwa durch einen versetzten Mast, eingeschränkte Sicht oder andere Bewegungen („Reach Truck“‐Charakter) bei seitlichem Verfahren etc. Wer Schubmaststapler nutzen will, braucht laut DGUV Grundsatz 308-001 eine Zusatzqualifizierung.
• Seitenstapler (oft auch Quergabelstapler genannt): Geräte, bei denen die Gabeln seitlich austreten, besondere Herausforderungen beim Rangieren bestehen. Auch hierfür ist jetzt explizit Stufe 2 nötig.
• Dreiseitenstapler: Stapler, die von drei Seiten bedienen können, oft in engen Regalreihen, mit komplexeren Bewegungsabläufen.
• Portalwagen bzw. Portalhubwagen (Van Carrier): Fahrzeuge, die unter Transportmittel oder Fahrzeuge mit seitlicher Aufnahme sind, welche spezielle Anforderungen an Steuerung und Beweglichkeit stellen.
• Teleskopstapler zum Containerhandling (Reachstacker) und Gabelstapler zum Containerhandling: Der Umgang mit Containern bringt besondere Lastaufnahmemittel, große Momente, oft erhöhte Hubhöhen und besondere Stabilitätsanforderungen mit sich. Daher ist auch hier die Zusatzqualifizierung vorgeschrieben.
Kommissioniergeräte mit hebbaren Fahrerständen
Kommissioniergeräte sind Flurförderzeuge, die speziell für das Kommissionieren (Zusammenstellen von Waren) verwendet werden. Sie kommen in vielen Varianten:
• Geräte ohne hebbaren Steuerstand (z. B. Mitgänger-Kommissioniergeräte)
• Geräte mit festem Steuerstand
• Geräte mit hebbarem Steuerstand, bei denen der Bediener in die Höhe gehoben werden kann, um etwa Regale in großer Höhe zu erreichen. Diese Geräte haben oft eine andere Bedienung / Stabilität etc. Zu ihnen gehört z. B. der klassische Kommissionierstapler, u. a. mit unterschiedlichen Hubhöhen, mit verschiedenen Bedienständen und unterschiedliche Steuerung im angehobenen Zustand.
Für Geräte mit hebbaren Fahrerständen gelten oft erhöhte Anforderungen: Sicht, Arbeits- und Unfallrisiken (z. B. beim Ein- und Ausfahren in Regalen), bei beweglichem Fahrerstand etc. Deshalb wird hier i. d. R. eine Zusatzqualifikation notwendig, nicht nur eine einfache Unterweisung.
Mitgänger-Flurförderzeuge, Hubwagen etc. ‒ Unterweisung oder volle Schulung?
• Mitgänger-Flurförderzeuge (z. B. einfache Hubwagen, handgeführte Geräte): Diese gelten üblicherweise nicht als spezielle Bauarten, die automatisch eine Zusatzqualifizierung verlangen, solange keine besonderen Risiken oder Bedingungen vorliegen. In vielen Fällen reicht eine sachgerechte Unterweisung bzw. Einweisung aus, wenn die Ausstattung, Einsatzbedingungen und Bedienung vergleichbar mit Standardfällen sind.
Kriterien, wann Unterweisung reicht und wann volle Schulung (Stufe 2) erforderlich
Man entscheidet zwischen Unterweisung/Einweisung vs. vollständiger Zusatzqualifizierung (Stufe 2) nach folgenden Kriterien:
• Wenn das Gerät eine spezielle Bauart ist, z. B. Schubmast-, Seiten- oder Dreiseitenstapler, Portalwagen etc. → Zusatzqualifizierung erforderlich.
• Wenn besondere Anbaugeräte zum Einsatz kommen, die über Standard-Gabeln hinausgehen, z. B. Klammern, Greifer, seitliche Lastaufnahmemittel etc. → oftmals Zusatzqualifikation.
• Wenn Einsatzbedingungen besondere Gefahren bergen: hohe Hubhöhen, enge Gänge, Sichtprobleme, Hebestände etc. → Zusatzqualifikation.
• Wenn in der allgemeinen Qualifizierung die betreffende Bauart oder Gerät nicht theoretisch oder praktisch behandelt wurde → dann Nachholen + Zusatzqualifikation nötig.
Wenn diese Kriterien nicht erfüllt sind, kann eine einfache, betriebliche Unterweisung oder Einweisung genügen. Wichtig ist: Auch die Unterweisung muss dokumentiert sein und auf das jeweilige Gerät eingehen.
Besondere Anbaugeräte: Wann reicht eine Einweisung, wann braucht es eine Zusatzqualifizierung?
Wenn an Flurförderzeugen besondere Anbaugeräte verwendet werden, stellt sich oft die Frage: Reicht eine einfache Einweisung (Geräte‐Einweisung) aus – oder muss eine formale Zusatzqualifizierung (Stufe 2) erfolgen? Im Folgenden erläutere ich das am Beispiel verschiedener Anbaugeräte, mit Abgrenzung und Hinweisen zur rechtlichen Absicherung.
Beispiele für besondere Anbaugeräte
Zu den typischen besonderen Anbaugeräten, bei denen Zusatzqualifizierungen häufiger nötig sind, zählen:
• Klammern (z. B. für das Greifen oder Spannen von Lasten, insbesondere wenn damit Lasten über 1 Tonne bewegt werden)
• Lasthaken, mit denen Lasten hängend transportiert werden, oft mit anderen Sicherheitsrisiken (z. B. seitliches Schwingen der Last)
• Greifer, z. B. Fassgreifer oder Greifzangen, die sich stark in ihrer Mechanik, Kraftübertragung und Bedienung von einfachen Gabelzinken unterscheiden
• Vakuumheber / Unterdruckhebegeräte, bei denen die Lastaufnahme auf Unterdruckprinzip basiert – diese Geräte haben oft besondere Bedienungs‐ und Sicherheitsaspekte (z. B. Dichtigkeit, Handhabung, Unterdruckkontrolle)
Wann reicht eine Einweisung / Unterweisung?
Eine Einweisung (oder Gerätebezogene Einweisung) kann ausreichend sein, wenn:
• das Anbaugerät funktional und handhabungstechnisch nur geringe Unterschiede gegenüber den bereits beherrschten Geräten aufweist (z. B. kleine Modifikationen an den Gabelzinken, hydraulische Seitenschieber etc.)
• der Einsatzbereich überschaubar ist, die Risiken gering sind, und weder Hubhöhe, Lastart noch Einsatzbedingungen stark abweichen
• der Bediener bereits über eine allgemeine Qualifizierung (Stufe 1) verfügt und das Anbaugerät theoretisch bekannt ist, zumindest in Teilen, z. B. durch bereits durchgeführte Schulung oder praktische Erfahrungen
• das Unternehmen eine Gefährdungsbeurteilung vorgenommen hat, und diese ergibt, dass durch das Anbaugerät keine neuen, erheblichen Gefahren hinzukommen
Wann ist eine Zusatzqualifizierung erforderlich?
Eine Zusatzqualifizierung (Stufe 2) ist nötig, wenn:
• das Anbaugerät wesentliche Abweichungen von Standardgabelzinken oder Standardlastaufnahme aufweist – z. B. Klammern über 1 Tonne, Greifer, Geräte, die Lasten hängend oder über Unterdruck bewegen, Arbeitskörbe etc.
• die Bedienung zusätzliche Kenntnisse und Fertigkeiten verlangt, die in der allgemeinen Qualifizierung nicht vermittelt wurden (z. B. besondere Steuerungs- und Sichtprobleme, stabilitätsrelevante Besonderheiten, Bedienung in engen Räumen, mit besonderen Lastaufnahmemitteln etc.)
• der Einsatz unter besonderen Bedingungen erfolgt – z. B. hohe Hubhöhen, enge Regalgassen, häufige Wechsel von Gerät und Anbaugerät, unterschiedliche Lastenarten etc.
Rechtliche Absicherung: Dokumentation, Prüfungen, Zertifikate
Um rechtlich abgesichert zu sein, sollte folgendes beachtet und umgesetzt werden:
Dokumentation
• Jeder Einsatz von neuartigen oder besonderen Anbaugeräten sollte in der Gefährdungsbeurteilung aufgeführt werden.
• Die Einweisung oder Qualifizierung muss schriftlich dokumentiert sein: Wer wurde wann unterwiesen oder qualifiziert, mit welchem Gerät/Anbaugerät, was genau behandelt wurde.
• Der Fahrausweis / Qualifikationsnachweis sollte entsprechende Einträge enthalten – etwa, für welche Bauart oder welches Anbaugerät die Qualifikation gilt. § 3.6 DGUV G 308-001 fordert, dass nach Zusatzqualifizierung ein Qualifikationszertifikat ausgestellt wird.
Prüfungen
• Wenn Zusatzqualifizierung erforderlich ist, muss sie sowohl einen theoretischen als auch einen praktischen Teil umfassen, inklusive Prüfung. Das bedeutet, dass Wissen und praktische Fertigkeiten überprüft werden (z. B. Prüfung mit Anpassung auf das jeweilige Anbaugerät).
• Bei Einweisungen bedarf es keiner formalen Prüfung, hier genügt ein Nachweis (z. B. Lernerfolgskontrolle oder Verstehen der Betriebsanweisung bzw. Prüffragen). DGUV Grundsatz 308-001 und IAG Mainz weisen auf die Notwendigkeit von Kontrolle des Lernerfolgs bei Mitgänger-Flurförderzeugen etc.
Zertifikate / Qualifikationsnachweise
• Nach bestandener Zusatzqualifizierung muss ein Qualifikationszertifikat ausgestellt werden, das angibt, für welche Bauart oder welches Anbaugerät die Qualifikation gilt. Ebenso ist der Fahrausweis zu ergänzen oder zu stempeln, damit klar ist, dass der Bediener auch das besondere Anbaugerät bedienen darf.
• Beim Einsatz dieser Geräte sollten die betrieblichen Regelwerke (Betriebsanweisung, Gefährdungsbeurteilung) aktualisiert werden, damit sie die Besonderheiten des Anbaugeräts berücksichtigen und dort als verbindlich genannt sind
Besondere Anbaugeräte: Wann reicht eine Einweisung, wann braucht es eine Zusatzqualifizierung?
Besondere Anbaugeräte erweitern den Einsatzbereich von Flurförderzeugen, bringen aber meist auch zusätzliche Gefährdungen mit sich. Ob eine einfache Einweisung genügt oder eine formale Zusatzqualifizierung (Stufe 2) erforderlich ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Hier sind wichtige Beispiele, Kriterien und rechtliche Anforderungen zur Absicherung.
Beispiele für besondere Anbaugeräte
• Klammern – insbesondere solche, die Gewichte über 1 Tonne greifen oder besondere Funktionen haben. DGUV Grundsatz 308-001 nennt als Beispiel „Klammern für Gewichte größer als 1 t“ als Anwendungsfall für die Zusatzqualifizierung.
• Lasthaken – wenn Lasten gehoben oder gehalten werden, mit potentieller Schwingung, stabile Verbindung notwendig etc.
• Greifer – z. B. Fassgreifer, Mehrfachgreifer, Zangen; oft hydraulisch oder mechanisch komplex, mit veränderter Lastverteilung und möglicher Sichtbehinderung.
• Vakuumheber / Unterdruckheber – Geräte, bei denen die Lastaufnahme nicht mechanisch über Gabeln erfolgt, sondern über Vakuum; erfordern besondere Prüfung der Dichtigkeit etc.
Abwägung: Einweisung vs. Zusatzqualifizierung
Wann eine Einweisung (gerätebezogene Unterweisung) ausreichend sein kann:
• Wenn das Anbaugerät nur geringfügig von Standard-Gabelzinken abweicht, z. B. einfache Seitenschieber oder kleine hydraulische Erweiterungen, deren Bedienung und Verhalten der Last weitgehend bekannt sind.
• Wenn das Gerät nur gelegentlich bzw. in relativ sicheren Einsatzbedingungen genutzt wird – ohne extreme Hubhöhen, ohne große Lasten, ohne häufigen Gerätewechsel, ohne enge Gänge oder komplexe Rangiermanöver.
• Wenn der Bediener bereits über solide allgemeine Qualifikation (Stufe 1) verfügt und das Anbaugerät zumindest theoretisch bekannt ist oder Schulungserfahrung besteht.
• Wenn Risiken überschaubar sind und durch die Gefährdungsbeurteilung erkannt und gemindert werden können – z. B. Sicht, Stabilität, Verankerung des Anbaugeräts etc.
Wann eine Zusatzqualifizierung erforderlich ist:
• Wenn das Anbaugerät wesentlich andere Anforderungen stellt – z. B. Klammern über 1 Tonne, Greifer, Lasthaken oder spezielle Greif-/Hebeeinrichtungen, bei denen das Verhalten der Last, die Sicht oder die Steuerung anders sind. DGUV 308-001 nennt ausdrücklich solche Fälle.
• Wenn das Anbaugerät regelmäßig und unter anspruchsvollen Bedingungen eingesetzt wird – etwa bei hohen Hubhöhen, komplexen Lagerwegen oder Kombination mit anderen Bauarten oder Sonderanforderungen.
• Wenn durch den Einsatz des Anbaugeräts neue Gefährdungen entstehen – z. B. Instabilitäten, seitliches Schwingen der Last, vergrößertes Kippmoment, besondere Anforderungen an die Sicht oder Steuerung.
• Wenn gesetzlich oder aus der Vorschrift heraus eine Zusatzqualifizierung gefordert wird, z. B. weil der DGUV-Grundsatz 308-001 bzw. andere Betreiberverpflichtungen dies verlangen. Bei Flurförderzeugen mit besonderen Bauarten wie Regalflurförderzeugen, Quergabel- oder Schubmaststapler etc. ist Stufe 2 üblich.
Rechtliche Absicherung: Dokumentation, Prüfungen, Zertifikate
Um auf der sicheren Seite zu sein, sind folgende Punkte wichtig:
• Dokumentation
Jeder Einsatz von besonderen Anbaugeräten sollte in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden. Es muss schriftlich festgehalten werden, wer wann mit welchem Gerät geschult oder eingewiesen wurde. Der Fahrausweis bzw. Qualifikationsnachweis soll die Zusatzqualifizierung bzw. den Geräte-/Anbaugerätetyp beinhalten. Nach DGUV 308-001 wird gefordert, dass Stufe 2 Qualifikationen im Fahrausweis eingetragen werden.
• Prüfungen
Zusatzqualifizierungsmaßnahmen müssen theoretisch und praktisch geprüft werden. Der Lernfortschritt und die praktische Fähigkeit zur sicheren Bedienung des Anbaugeräts sind nachzuweisen. Bei Einweisungen sollte zumindest ein Nachweis erfolgen, dass die Einweisung stattgefunden hat und verstanden wurde – z. B. durch praktische Demonstration oder kurze Leistungskontrolle.
• Zertifikate / Qualifikationsnachweise
Nach erfolgreicher Zusatzqualifizierung erhalten Teilnehmer ein Qualifikationszertifikat sowie einen Fahrausweis, in dem die entsprechenden Bauarten bzw. besonderen Geräte vermerkt sind. Dieses Zertifikat ist rechtlich wichtig, z. B. bei Überprüfung durch Berufsgenossenschaft oder Aufsichtsbehörden.
• Regelmäßige Prüfungen und Wiederholungen
Auch besondere Anbaugeräte unterliegen regelmäßigen Prüfungen im Rahmen der DGUV Vorschrift 68 § 37 ‒ Flurförderzeuge mit Anbaugeräten müssen jährlich durch eine befähigte Person geprüft werden. Die tägliche Einsatzprüfung (Sicht- und Funktionsprüfung) muss auch das Anbaugerät einbeziehen.
Praxisempfehlungen für Unternehmen
Damit die Zusatzqualifizierung nicht nur Pflicht, sondern echte Chance wird, gebe ich im Folgenden praxisnahe Empfehlungen, wie Unternehmen sinnvoll vorgehen können.
Wie man den Bedarf ermittelt: Welche Geräte werden eingesetzt, wie stark unterscheiden sie sich von der Standard-Ausbildung
Inventarisierung der eingesetzten Geräte
Erfassen Sie alle Flurförderzeugtypen, die Sie im Betrieb nutzen: Frontstapler, Schubmaststapler, Kommissioniergeräte mit oder ohne Fahrerstand, Seitenstapler, Mitgänger-Hubwagen etc. Notieren Sie Besonderheiten wie Hebehöhen, Lastenarten, Anbaugeräte etc.
Abgleich mit der Standard-Ausbildung
Vergleichen Sie diese Liste mit den Inhalten Ihrer allgemeinen Qualifizierung (Staplerschein Stufe 1). Fragen Sie: Wurden diese Geräte und deren Besonderheiten in Theorie und Praxis behandelt? Gibt es Bediener, die mit Geräten arbeiten müssen, die nicht Teil dieser Ausbildung waren?
Gefährdungsbeurteilung / Risikoeinschätzung
Führen Sie eine Gefährdungsbeurteilung durch. Beurteilen Sie, wo durch spezielle Geräte oder Anbauwerkzeuge zusätzliche Risiken entstehen – Sichtbehinderungen, Last-Schwankungen, Enge, hohe Hubhöhen, wechselnde Gerätearten, wechselnde Fahrer etc. Diese Bewertung hilft festzustellen, ob eine Zusatzqualifizierung erforderlich ist.
Mitarbeiterfeedback & Praxisbeobachtung
Sprechen Sie mit den Bedienern: Wo fühlen sie sich unsicher? Welche Situationen tauchen häufig auf, bei denen Bedienfehler oder nahe Unfälle vorkommen? Beobachtungen im Alltag geben Hinweise, wo die Ausbildung nicht ausreicht.
Planung einer Zusatzqualifizierung: Inhalte, Zeitaufwand, Kosten
Inhalte
• Theoretisch: Einsatzbedingungen der speziellen Bauarten, Besonderheiten der Anbaugeräte, Sicherheits- und Bedienvorschriften speziell für diese Fahrzeuge, Betriebsanweisungen etc.
• Praktisch: Übungen mit den konkreten Geräten, Bedienung der Anbaugeräte, Sicherheit bei den täglichen Abläufen, praktische Prüfung mit Lasten und ggf. in realen Betriebsumgebungen.
Zeitaufwand
• Typische Zusatzqualifizierungen dauern oft einen halben Tag bis mehrere Stunden. Beispielsweise: etwa vier Stunden für eine Zusatzqualifizierung am Schubmaststapler.
• Planen Sie Vorbereitungszeit ein: Auswahl und Beschaffung von Schulungsmaterialien, Abstimmung mit dem Schulungsanbieter, Freistellung der Mitarbeitenden, ggf. Organisieren der Fahrzeuge.
Schulungsanbieter / interne Schulungen / Inhouse-Schulung
• Externe Anbieter
Nutzen Sie spezialisierte Schulungszentren, wie z.B. TÜV, DEKRA oder andere zertifizierte Anbieter. Vorteile: Erfahrung, normgerechte Durchführung, Vergleichbarkeit. Nachteile: Termine, Reisekosten, Standardinhalte evtl. nicht exakt zugeschnitten auf Ihr Gerät.
• Interne Schulungen / Inhouse-Schulung
Wenn mehrere Personen geschult werden müssen, lohnt sich oft eine Schulung vor Ort im Betrieb. Vorteile: Sie können mit den echten eigenen Geräten arbeiten, auf spezifische Situationen eingehen, die Mitarbeiter über ihre eigenen Arbeitswege, eigene Anbaugeräte etc. schulen. Nachteile: Sie benötigen qualifizierte Ausbilder, Ausstattung, evtl. zusätzliche Planung und Vorbereitung.
• Zertifizierung von Ausbildern
Falls Sie regelmäßig Zusatzqualifizierungen durchführen möchten, kann sich die Zertifizierung eines internen Ausbilders lohnen. Damit sind Sie flexibler, unabhängiger von externen Terminen und können Inhalte passgenau gestalten.
Integration in bestehende Sicherheits- und Weiterbildungspläne
• Verankerung in Sicherheitsmanagement / QM
Die Zusatzqualifizierung sollte Teil Ihres Arbeitsschutzmanagements sein – mit Verknüpfung zu Gefährdungsbeurteilung, Betriebsanweisungen, Unfallauswertung etc. Nicht als isoliertes Element, sondern als laufender Bestandteil.
• Regelmäßige Aktualisierung & Wiederholung
Schulungen und Zusatzqualifikationen nicht einmalig betrachten. Wiederkehrende Schulungen bzw. Auffrischungen sind sinnvoll, vor allem wenn neue Geräte, neue Anbaugeräte oder neue Einsatzbedingungen hinzukommen.
• Dokumentation & Nachverfolgung
Jeder Qualifizierungsdurchgang sollte schriftlich festgehalten sein: Wer wurde geschult, welches Gerät, welche Anbaugeräte, wann, von wem. So lassen sich Nachweise bei Aufsicht und Versicherung erbringen und prüfen.
• Budgetierung & Zeitplanung
Berücksichtigen Sie Fortbildungsbudget und Zeitressourcen früh im Jahresplan oder Betriebsplan. Planen Sie Schulungstermine rechtzeitig, um Ausfallzeiten kurz zu halten und Geräteverfügbarkeiten sicherzustellen.
Vorteile der Zusatzqualifizierung
Eine Zusatzqualifizierung für Bediener von Flurförderzeugen bringt für Unternehmen und Mitarbeitende vielseitige Vorteile mit sich – nicht nur in puncto Sicherheit, sondern auch in Effizienz, Rechtssicherheit und Personalentwicklung.
Erhöhte Sicherheit im Betrieb, Reduktion von Unfällen
Durch eine Zusatzqualifizierung werden Fahrer auf die Besonderheiten spezieller Fahrzeugbauarten und Anbaugeräte geschult. Das bedeutet: Sie kennen Risiken wie eingeschränkte Sicht, instabile Lasten, verändertes Schwingverhalten oder besondere Steuerungskomplexität. Studien zeigen, dass ein großer Teil der Staplerunfälle auf menschliches Fehlverhalten oder mangelnde Sachkenntnis zurückzuführen ist.
Wenn Bedienpersonal diese Risiken erkennt und sicher damit umgehen kann, sinkt die Unfallhäufigkeit – weniger Kollisionen, weniger Umstürze, weniger Sach- und Personenschäden. Damit verbunden sind geringere Ausfallzeiten und niedrigere Folgekosten.
Rechtliche Absicherung, Vermeidung von Bußgeldern / Haftungsrisiken
Die gesetzlichen Vorschriften – besonders DGUV Grundsatz 308-001 in Verbindung mit der Betriebssicherheitsverordnung und dem Arbeitsschutzgesetz – verlangen Qualifikationen, Einweisungen, Dokumentation und Prüfungen.
Mit einer Zusatzqualifizierung erfüllen Unternehmen diese Anforderungen sicher und vermeiden Risiken wie:
• Bußgelder wegen Verstößen gegen Vorschriften
• Haftungsprobleme bei Unfällen oder Schäden
• mögliche Probleme mit Versicherungen oder Berufsgenossenschaften, wenn Qualifikationsnachweise fehlen oder ungeeignet sind
Zudem bieten Zertifikate und ordnungsgemäße Einträge im Fahrausweis (z. B. Gerätebauart, Zusatzqualifikation) klare Belege, die auch im Falle einer Kontrolle oder eines Schadens wichtig sind.
Effizienzsteigerung durch kompetentes Bedienpersonal
Wenn Bediener nicht nur über die Grundkenntnisse verfügen, sondern auch mit speziellen Fahrzeugen oder Anbaugeräten routiniert umgehen können, ergeben sich messbare Effekte:
• Aufgaben, die zuvor zögerlich oder vorsichtig durchgeführt wurden, gehen schneller und sicherer von der Hand
• Weniger Schäden an Ladung oder Infrastruktur (Regale, Lagerböden, Fahrzeuge) aufgrund falscher Bedienung oder Unsicherheit
• Optimierter Materialfluss, da Stapelprozesse reibungsloser ablaufen
• Minimierung von Verzögerungen durch Fehlbedienungen, Nacharbeiten oder Ausfall von Geräten
Motivation und Kompetenz der Mitarbeitenden stärken
Für Mitarbeitende selbst bringt Zusatzqualifizierung einige positive Aspekte:
• Wer eine Spezialqualifikation erwirbt, fühlt sich in seiner Rolle sicherer und kompetenter, was das Selbstvertrauen stärkt
• Das Erlernen neuer Fertigkeiten oder der Umgang mit anspruchsvolleren Geräten wirkt motivierend und kann als Karriereschritt gesehen werden
• Anerkennung im Betrieb – sowohl formal (Zertifikate, qualifizierte Zutrittsrechte), als auch informell (Vertrauen, Verantwortung)
• Mitarbeitende, die sich weiterbilden dürfen, sind oft zufriedener und bleiben dem Unternehmen treuer, was Fluktuation reduziert
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Zusatzqualifizierung (Stufe 2) ist dann erforderlich, wenn Bediener neben der allgemeinen Qualifizierung (Stufe 1) weitere, spezielle Flurförderzeug-Bauarten oder besondere Anbaugeräte bedienen sollen, die in der Grundausbildung nicht oder nicht vollständig behandelt wurden. Das gilt besonders bei Geräten wie Schubmaststaplern, Spezial-Greifern, Klammern über 1 Tonne, Vakuumhebern oder sonstigen Anbaugeräten. Wer hier erst später handelt, riskiert Unsicherheiten im Betrieb, mögliche Unfälle, Haftungs- und Bußgeldprobleme.
Mein Appell an Sie: Prüfen Sie frühzeitig in Ihrem Betrieb, ob alle Mitarbeitenden auf dem neuesten Stand sind – welche Geräte und Anbaugeräte eingesetzt werden, wie sich diese von den „üblichen“ Staplern unterscheiden und ob von Ihrer Ausbildung aus sicher abgedeckt sind. Warten Sie nicht auf den ersten Vorfall, sondern handeln Sie proaktiv: Vornsorglich Schulung organisieren, Weiterbildung einplanen, Bediener qualifizieren.
Ein weiterer wichtiger Hinweis: Die Vorschriften ändern sich, die Technik entwickelt sich weiter, neue Bauarten und Anbaugeräte kommen hinzu. Daher sollte der Schulungs- und Qualifizierungsbedarf regelmäßig neu bewertet werden. Halten Sie Ihre Qualifikationen, Einweisungen und Dokumentationen aktuell, und sammeln Sie Feedback aus der Praxis – das hilft, Risiken früh zu erkennen und dauerhaft sicher und effizient zu arbeiten.