Schubmaststapler sicher bedienen: Pflicht zur Zusatzqualifizierung nach DGUV-Standard 308-001 erklärt

Die Bedienung eines Schubmaststaplers unterscheidet sich in mehreren entscheidenden Punkten von der klassischen Arbeit mit Front- oder Gegengewichtsstaplern. Schubmaststapler sind konstruktionsbedingt in engen Regal- und Gangstrukturen unterwegs, wobei der Mast beim Ein- und Ausfahren zwischen den Radarmen „verschwindet“. Dadurch verändert sich sowohl das Fahrverhalten als auch das Sichtfeld erheblich. Man arbeitet häufig mit großer Hubhöhe, teilweise in beengten Verhältnissen, und jede Fehleinschätzung bei Hub und Fahrtrichtung kann zu Unfällen führen. Zudem erfordert das Handling feinfühligere Steuerung, genauere Einschätzungen bezüglich Last, Schwerpunkt und Stabilität – insbesondere bei voller Mastauslage.

Im Dezember 2022 kam es zu einer grundlegenden Änderung in der Rechtslage: Der DGUV Grundsatz 308-001 („Qualifizierung und Beauftragung der Fahrerinnen und Fahrer von Flurförderzeugen außer geländegängigen Teleskopstaplern“) wurde überarbeitet und erweitert. Wichtig dabei ist: Schubmaststapler gelten nun ausdrücklich als spezielle Bauart, für deren Bediener eine Zusatzqualifizierung (Stufe 2) gemäß diesem DGUV-Grundsatz erforderlich ist. Für Unternehmen heißt das, dass bestehendes Personal geprüft werden muss, ob der vorhandene Staplerschein inklusive der Bauartenkennzeichnung ausreicht – und erforderlichenfalls Nachschulungen nötig sind. Für Mitarbeitende bedeutet es Klarheit und Rechtssicherheit, aber auch neuen Qualifizierungsaufwand.

DGUV Grundsatz 308‑001 – Überblick

Der DGUV Grundsatz 308‑001 regelt die Qualifizierung und Beauftragung von Fahrerinnen und Fahrern von Flurförderzeugen mit Fahrersitz oder Fahrerstand. Er dient der Sicherheit am Arbeitsplatz und stellt sicher, dass Mitarbeitende die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, um Flurförderzeuge sicher zu bedienen.  

Die drei Qualifizierungsstufen

1. Stufe 1 – Allgemeine Qualifizierung

Diese Grundausbildung vermittelt die grundlegenden Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit Flurförderzeugen. Sie umfasst sowohl theoretische als auch praktische Teile und bildet die Basis für alle weiteren Qualifizierungen.  

2. Stufe 2 – Zusatzqualifizierung

Für spezielle Flurförderzeuge oder besondere Anbaugeräte ist eine Zusatzqualifizierung erforderlich. Diese baut auf der allgemeinen Qualifizierung auf und vermittelt spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten für die jeweilige Bauart oder das Anbaugerät.  

3. Stufe 3 – Betriebliche Qualifizierung

In dieser Stufe erfolgt die Einweisung in die betrieblichen Gegebenheiten und spezifischen Arbeitsabläufe. Sie stellt sicher, dass die Fahrerinnen und Fahrer mit den betrieblichen Besonderheiten vertraut sind und ihre Aufgaben sicher ausführen können.  

Neue Bauarten seit Dezember 2022

Mit der Überarbeitung des DGUV Grundsatzes im Dezember 2022 wurden bestimmte Flurförderzeuge explizit als spezielle Bauarten definiert, für deren Bedienung eine Zusatzqualifizierung erforderlich ist. Dazu gehören:

Schubmaststapler

Seitenstapler

Dreiseitenstapler

Portalhubwagen (Van Carrier)

Teleskopstapler zum Containerhandling (Reachstacker)

Gabelstapler zum Containerhandling

Diese Anpassung berücksichtigt die besonderen Anforderungen und Gefährdungen, die mit der Bedienung dieser Geräte verbunden sind.  

Unternehmen sollten daher prüfen, ob ihre Mitarbeitenden für die Bedienung dieser speziellen Flurförderzeuge entsprechend qualifiziert sind. Ist dies nicht der Fall, ist eine Zusatzqualifizierung gemäß Stufe 2 des DGUV Grundsatzes erforderlich.  

Was genau bedeutet die Zusatzqualifizierung für Schubmaststapler?

Die Zusatzqualifizierung für Schubmaststapler gemäß DGUV Grundsatz 308‑001 ist eine spezialisierte Schulung, die auf die besonderen Anforderungen und Gefährdungen bei der Bedienung dieser Flurförderzeuge eingeht. Sie besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Teil, die jeweils mit einer Prüfung abschließen.

Theoretischer Teil

Der theoretische Teil umfasst mindestens 10 Lehreinheiten à 45 Minuten und behandelt folgende Themen:

Technische Grundlagen: Aufbau des Schubmaststaplers, Hydrauliksysteme, Mastführung und Lastschwerpunkt.

Rechtliche Grundlagen: DGUV Vorschriften, Betriebssicherheitsverordnung und Unfallverhütung.

Betriebsanweisungen: Bedeutung von Betriebsanweisungen für den sicheren Einsatz.

Gefährdungsbeurteilung: Identifikation und Bewertung von Gefährdungen im Arbeitsumfeld.

Notfallmanagement: Maßnahmen bei Störfällen und Notfällen.

Diese Inhalte dienen dazu, das notwendige Wissen für die sichere Bedienung eines Schubmaststaplers zu vermitteln.

Praktischer Teil

Der praktische Teil der Zusatzqualifizierung beinhaltet:

Fahrübungen: Rangieren in engen Lagergängen, präzises Ein- und Auslagern von Lasten.

Sicherheitsübungen: Umgang mit Notfällen, wie z. B. Not-Aus-Training.

Prüfungsfahrten: Durchführung von Fahrübungen unter Prüfungsbedingungen.

Dieser Teil stellt sicher, dass die Teilnehmenden die theoretisch erlernten Kenntnisse praktisch umsetzen können.

Eintrag im Fahrausweis & Zertifikat

Nach erfolgreichem Abschluss der Zusatzqualifizierung erhalten die Teilnehmenden:

Eintrag im Fahrausweis: Der Fahrausweis wird um die Bauart “Schubmaststapler” ergänzt, um die spezifische Qualifikation zu dokumentieren.

Qualifikationszertifikat: Ein separates Zertifikat, das die erfolgreiche Teilnahme an der Zusatzqualifizierung bestätigt.

Seit Dezember 2022 ist dieser zusätzliche Nachweis gemäß DGUV Grundsatz 308‑001 erforderlich.  

Diese Dokumente dienen als rechtssichere Nachweise der Qualifikation und sind bei Prüfungen durch Aufsichtsbehörden oder Berufsgenossenschaften erforderlich.

Sind Besitzstände bzw. „alte“ Staplerscheine betroffen?

Die Frage, ob Personen, die ihren Staplerschein vor Dezember 2022 erworben haben, eine nachträgliche Zusatzqualifizierung für Schubmaststapler benötigen, ist nicht eindeutig zu beantworten. Die DGUV hat hierzu unterschiedliche Auffassungen formuliert, die je nach Einzelfall variieren können.

Fälle, in denen Mitarbeitende vor Dezember 2022 den Staplerschein erworben haben

Laut der DGUV besteht keine Pflicht zur nachträglichen Zusatzqualifizierung, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

Der Staplerschein wurde bereits vor Dezember 2022 erworben.

Die Mitarbeitenden wurden bereits vor Dezember 2022 mit dem Bedienen eines Schubmaststaplers beauftragt.

Die Mitarbeitenden haben seitdem einen Schubmaststapler bedient.

In diesem Fall wird die Zusatzqualifizierung als bereits erfüllt betrachtet.  

Unterschiedliche Interpretationen/Rechtsauffassungen zur Nachholpflicht

Es gibt jedoch auch eine andere Auffassung, die besagt, dass eine nachträgliche Zusatzqualifizierung erforderlich ist, wenn der Fahrauftrag nach der Änderung des DGUV Grundsatzes 308-001 im Dezember 2022 erteilt wurde. Das bedeutet, dass Mitarbeitende, die ihren Staplerschein vor der Änderung erworben haben, eine Zusatzqualifizierung nachholen müssen, wenn sie erst nach Dezember 2022 mit dem Bedienen eines Schubmaststaplers beauftragt wurden.  

Diese unterschiedliche Auslegung kann zu Unsicherheiten führen, insbesondere wenn es zu einem Unfall oder einer Prüfung durch Aufsichtsbehörden kommt. Die Entscheidung darüber, ob eine nachträgliche Zusatzqualifizierung erforderlich ist, liegt letztlich bei der jeweiligen Aufsichtsbehörde oder Berufsgenossenschaft.

Empfehlungen wann das Nachholen sinnvoll ist

Es empfiehlt sich, die nachträgliche Zusatzqualifizierung für Schubmaststapler in folgenden Fällen durchzuführen:

Wenn Mitarbeitende nach Dezember 2022 mit dem Bedienen eines Schubmaststaplers beauftragt wurden, ohne zuvor eine entsprechende Zusatzqualifizierung erhalten zu haben.

Wenn Unklarheiten darüber bestehen, ob die bestehende Qualifikation den aktuellen Anforderungen entspricht.

Wenn eine rechtssichere Dokumentation der Qualifikation gewünscht wird, insbesondere im Hinblick auf mögliche Haftungsfragen.

In diesen Fällen empfiehlt es sich, die Zusatzqualifizierung nachzuholen, um sowohl die Sicherheit im Betrieb zu gewährleisten als auch rechtlichen Anforderungen zu entsprechen.  

Praxis-Tipps für Unternehmen

Die Umsetzung der Zusatzqualifizierung für Schubmaststapler gemäß DGUV Grundsatz 308-001 erfordert eine sorgfältige Planung und Integration in die betrieblichen Abläufe. Hier sind praxisnahe Empfehlungen, die Unternehmen dabei unterstützen können:

Wie erkennt man, ob Mitarbeitende die Zusatzqualifizierung benötigen?

Um festzustellen, ob Mitarbeitende eine Zusatzqualifizierung für Schubmaststapler benötigen, sollten folgende Punkte überprüft werden:

Bauart im Staplerschein: Prüfen Sie, ob im bestehenden Fahrausweis die Bauart “Schubmaststapler” vermerkt ist. Fehlt dieser Eintrag, ist eine Zusatzqualifizierung erforderlich.

Tatsächlicher Einsatz in der Praxis: Wenn Mitarbeitende regelmäßig Schubmaststapler bedienen, sollte dies durch eine Zusatzqualifizierung dokumentiert werden.

Aktualität der Qualifikation: Beachten Sie, dass seit Dezember 2022 zusätzlich zum Fahrausweis auch ein Qualifikationszertifikat erforderlich ist, das die spezifische Bauart bestätigt.

Umsetzung der Zusatzqualifizierung

Die Durchführung der Zusatzqualifizierung kann intern oder durch externe Anbieter erfolgen:

Schulungsanbieter: Verschiedene Anbieter bieten rechtssichere Schulungsunterlagen und Präsentationen an, die auf die spezifischen Anforderungen der Schubmaststaplerqualifizierung abgestimmt sind.

Vorbereitung: Stellen Sie sicher, dass alle erforderlichen Materialien, wie Präsentationen, Testbögen und praktische Übungsflächen, bereitgestellt werden.

Prüfungsformen: Die Qualifizierung umfasst sowohl theoretische als auch praktische Prüfungen, die dokumentiert werden müssen.

Integration in betriebliche Abläufe

Um die Qualifizierung nachhaltig in den Betrieb zu integrieren, sollten folgende Maßnahmen ergriffen werden:

Jährliche Unterweisungen: Führen Sie regelmäßige Unterweisungen durch, um das Wissen der Mitarbeitenden aufzufrischen und aktuelle Sicherheitsstandards zu vermitteln.

Dokumentation: Halten Sie alle Qualifizierungsmaßnahmen, einschließlich der Zusatzqualifizierung, ordnungsgemäß in den Personalakten fest. Dies ist wichtig für die rechtliche Nachweispflicht und bei Prüfungen durch Aufsichtsbehörden.

Kontinuierliche Weiterbildung: Fördern Sie die kontinuierliche Weiterbildung Ihrer Mitarbeitenden, um deren Fachkenntnisse aktuell zu halten und die Sicherheit im Betrieb zu gewährleisten.

Die rechtssichere und praxisorientierte Umsetzung der Zusatzqualifizierung für Schubmaststapler trägt nicht nur zur Sicherheit im Betrieb bei, sondern schützt auch vor möglichen Haftungsrisiken.

Rechtliche und sicherheitstechnische Bedeutung

Die ordnungsgemäße Qualifikation von Mitarbeitenden im Umgang mit Schubmaststaplern ist nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auch ein entscheidender Faktor für die Sicherheit im Betrieb und die rechtliche Absicherung des Unternehmens.

Haftungsrisiken bei Unfällen ohne gültige Qualifikation

Fehlt eine gültige Zusatzqualifikation für Schubmaststapler, können im Falle eines Unfalls schwerwiegende rechtliche und finanzielle Konsequenzen für das Unternehmen entstehen:

Haftung des Arbeitgebers: Bei Unfällen, die auf unzureichende Schulung oder fehlende Sicherheitsvorkehrungen zurückzuführen sind, kann der Arbeitgeber haftbar gemacht werden. Dies gilt insbesondere, wenn die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 der DGUV Vorschrift 68 nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde oder keine Betriebsanweisung vorliegt.

Haftung des Mitarbeiters: Mitarbeitende können bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz ebenfalls haftbar gemacht werden. Dies betrifft insbesondere Situationen, in denen Sicherheitsvorschriften missachtet oder bewusst umgangen werden.

Auswirkungen auf den Versicherungsschutz: Das Fehlen einer gültigen Qualifikation kann den Versicherungsschutz beeinträchtigen. Im Schadensfall kann es zu Regressforderungen seitens der Berufsgenossenschaft kommen, wenn die erforderliche Qualifikation nicht nachgewiesen werden kann.

Vorteile für Betriebssicherheit, Unfallvermeidung und Mitarbeitermotivation

Eine ordnungsgemäße Qualifikation und regelmäßige Schulungen bieten zahlreiche Vorteile für Unternehmen:

Erhöhte Betriebssicherheit: Geschulte Mitarbeitende handeln sicherheitsbewusster, erkennen Gefahren frühzeitig und können Unfälle effektiv vermeiden.

Reduzierung von Unfällen und Sachschäden: Durch die Vermittlung von Fachwissen und praktischen Fähigkeiten werden Fehlerquellen minimiert, was zu einer Senkung der Unfallrate führt.

Steigerung der Mitarbeitermotivation: Investitionen in die Weiterbildung zeigen den Mitarbeitenden, dass ihre Sicherheit und Entwicklung dem Unternehmen wichtig sind, was die Motivation und Identifikation mit dem Betrieb stärkt.

Rechtliche Absicherung: Durch die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben und die ordnungsgemäße Dokumentation der Qualifikationen wird das Unternehmen im Falle von Prüfungen oder Haftungsfragen rechtlich abgesichert.

Die Implementierung eines strukturierten Schulungs- und Qualifizierungsprogramms für Schubmaststapler ist somit nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern auch eine Investition in die Sicherheit, Effizienz und Zukunftsfähigkeit des Unternehmens.

Fazit

Die korrekte Qualifizierung Ihrer Mitarbeitenden im Umgang mit Schubmaststaplern ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern auch entscheidend für die Sicherheit und Effizienz in Ihrem Betrieb. Die Einhaltung des DGUV Grundsatzes 308-001 schützt Ihr Unternehmen vor Haftungsrisiken und trägt zur Unfallvermeidung bei.

Was sollten Verantwortliche jetzt tun?

Bestandsaufnahme: Überprüfen Sie, welche Mitarbeitenden bereits eine Zusatzqualifizierung für Schubmaststapler (Stufe 2) gemäß DGUV Grundsatz 308-001 besitzen.

Bedarfsanalyse: Ermitteln Sie, ob zusätzliche Qualifizierungen erforderlich sind, insbesondere bei neuen Mitarbeitenden oder bei Änderungen im Einsatzbereich.

Schulungsorganisation: Planen Sie die Durchführung der erforderlichen Schulungen, entweder intern oder durch externe Anbieter.

Dokumentation: Stellen Sie sicher, dass alle Qualifizierungen ordnungsgemäß dokumentiert und in den Personalakten vermerkt sind.

Kurz-Checkliste mit nächsten Schritten:

1. Prüfung des bestehenden Staplerscheins: Überprüfen Sie, ob der Fahrausweis die Bauart “Schubmaststapler” enthält.

2. Feststellung des Schulungsbedarfs: Identifizieren Sie Mitarbeitende, die eine Zusatzqualifizierung benötigen.

3. Auswahl eines Schulungsanbieters: Wählen Sie einen qualifizierten Anbieter für die Zusatzqualifizierung aus.

4. Durchführung der Schulung: Organisieren Sie die Schulung mit theoretischem und praktischem Teil sowie anschließender Prüfung.

5. Integration in betriebliche Abläufe: Integrieren Sie regelmäßige Unterweisungen und Auffrischungsschulungen in Ihre betrieblichen Prozesse.

Durch die konsequente Umsetzung dieser Schritte gewährleisten Sie nicht nur die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, sondern fördern auch eine sichere und effiziente Arbeitsumgebung für Ihre Mitarbeitenden.

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