Effizienz im Lager: 10 essenzielle Bestandskennzahlen, die Sie kennen sollten

Definition des Begriffs „Bestandskennzahl“ / KPI

Bestandskennzahlen – auch Lagerkennzahlen oder Lager-KPIs genannt – sind betriebswirtschaftliche Messgrößen, die die Effizienz und Wirtschaftlichkeit eines Lagers bewerten. Sie visualisieren Aspekte wie Lagerbestand, Lagerumschlag oder Lagerdauer. Solche Kennzahlen machen Leistungszustände transparent, decken Probleme auf und ermöglichen datenbasierte Entscheidungen zur Steuerung logistischer Prozesse. Im weiteren Sinne sind KPIs (Key Performance Indicators) Indikatoren, die den Fortschritt bei der Zielerreichung in einem Unternehmen messen und kommunizieren.

Nutzen: Transparenz, Prozessoptimierung und Entscheidungsgrundlage

Transparenz schaffen: Lagerkennzahlen ermöglichen es, komplexe Lagerprozesse auf wenige aussagekräftige Größen herunterzubrechen, wodurch Fehlentwicklungen wie Überbestände oder Engpässe schnell sichtbar werden. Durch regelmäßige Messungen wird deutlich, ob Logistikabläufe effizient ablaufen oder verbessert werden müssen.

Prozessoptimierung vorantreiben: KPIs helfen dabei, ineffiziente Strukturen zu identifizieren und gezielt zu beseitigen – etwa durch Reduktion von Kapitalbindung, Optimierung des Lagerumschlags oder Verkürzung der Lagerdauer. So ermöglichen sie, Prozesse schlanker und kosteneffizienter zu gestalten.

Fundierte Entscheidungsgrundlage: Mit validen Kennzahlen lassen sich strategische Entscheidungen objektiv treffen und kontrollieren. Beispielsweise lassen sich anhand von Lagerkennzahlen Verfügbarkeitsziele definieren, Bestellmengen planen oder Benchmarks setzen. Eine regelmäßige Auswertung unterstützt dabei nicht nur operative Abläufe, sondern auch Controlling und Reporting.

Überblick: Die 10 wichtigsten Bestandskennzahlen

1. Durchschnittlicher Lagerbestand

Zeigt an, wie viel Ware im Durchschnitt im Lager liegt – berechnet als Mittelwert von Anfangs- und Endbestand. Eine zentrale Kennzahl zur Einschätzung von Kapitalbindung und Platzbedarf.

 

2. Optimalbestand

Definiert die optimale Bestandsmenge, um Nachfrage zu decken, ohne Fehl- oder Überbestände. Die Berechnung umfasst optimale Bestellmenge, Mindest- und Sicherheitsbestand.

 

3. Bestandsschwund

Misst die Differenz zwischen dem im System verzeichneten und dem tatsächlich vorhandenen Bestand. Aufschlussreich für Inventurverluste durch Diebstahl, Schäden oder Buchungsfehler.

4. Lagerumschlagshäufigkeit

Gibt an, wie oft der Lagerbestand innerhalb eines Jahres umgeschlagen wird. Maß für Effizienz und Kapitalnutzung: Je höher, desto besser – allerdings mit Maß, um Unterbestände zu vermeiden.

  

5. Lagerreichweite

Zeigt, wie lange der aktuelle Bestand bei konstantem Verbrauch reicht – oft in Tagen angegeben. Wichtige Größe für Planungssicherheit.

  

6. Durchschnittliche Lagerdauer

Informiert, wie viele Tage eine Ware durchschnittlich im Lager verweilt – wichtig zur Abschätzung von Lager-, Zins- und Kapitalbindungskosten.

 

7. Fehlbestandsrate / Rate der ausstehenden Aufträge

Gibt den Anteil an Aufträgen an, die nicht erledigt werden können, weil der Bestand fehlt. Wichtig zur Messung der Lieferfähigkeit und Vermeidung von Umsatzeinbußen.

8. Sell-through-Rate (Durchverkaufsrate)

Misst den Anteil der erhaltenen Ware, der tatsächlich verkauft wird. Ein guter Indikator dafür, wie effizient der Bestand umgesetzt wird.

 

9. Kapitalbindung / Lagerkostensatz

Zeigt, welcher Anteil des Unternehmenskapitals im Lager gebunden ist (Kapitalbindung) beziehungsweise wie hoch die Lagerkosten im Verhältnis zum Lagerbestand sind (Lagerkostensatz) – relevant zur Kostenkontrolle.

 

10. Auftragsgenauigkeitsrate / Perfect Order Rate

Zeigt, wie viele Aufträge fehlerfrei – vollständig, unbeschädigt, pünktlich – erfüllt werden. Direkt mit Kundenzufriedenheit verknüpft. Die Perfect Order Rate kombiniert mehrere Qualitätskriterien in einer KPI.

Die Kennzahlen im Detail mit Formeln und Bedeutung

Durchschnittlicher Lagerbestand

Definition & Bedeutung: Diese Kennzahl zeigt, wie hoch der Bestand im Lager im Durchschnitt war—sei es in Stück oder Euro. Sie ist ein entscheidender Maßstab für die Kapitalbindung und gibt Aufschluss über Lagerressourcen und Raumplanung.   

Berechnung:

 Durchschnittlicher Lagerbestand = (Anfangsbestand + Endbestand) ÷ 2

Damit lassen sich smarte Entscheidungen zur Anpassung des Lagerumfangs treffen.  

Optimalbestand

Bedeutung: Der Optimalbestand stellt sicher, dass einerseits keine Unterversorgung eintritt und andererseits keine Überbestände entstehen—ein wichtiger Faktor für Kosteneffizienz und Warenverfügbarkeit.

Berechnung:

Berechnung: Optimalbestand = Optimale Bestellmenge + Mindestbestand + Sicherheitsbestand

Diese Kombination hilft, Lager- und Fehlmengenkosten zu minimieren.

Bestandsschwund

Definition & Bedeutung: Diese Kennzahl misst die Differenz zwischen dem im System geführten (theoretischen) Bestand und dem tatsächlich vorhandenen Bestand—oft ein Indikator für Inventurdifferenzen durch Diebstahl, Schäden oder Buchungsirrtümer.  

Durchschnittlicher Bestandsverlust

Bedeutung: Erfasst Verluste über einen Zeitraum, etwa durch Diebstahl, Verderb oder administrative Fehler. Diese Kennzahl hilft, Problemzonen im Lagerprozess zu identifizieren und zu reduzieren.

Lagerdauer

Bedeutung: Gibt an, wie lange Waren im Durchschnitt im Lager verweilen—eine essentielle Größe zur Bewertung der Kapitalbindung im Lager.  

Berechnungen:

Zwei gängige Varianten sind:

1. Lagerdauer = 360 Tage ÷ Lagerumschlagshäufigkeit

2. Lagerdauer = (360 Tage × durchschnittlicher Lagerbestand) ÷ Jahresverbrauch

Lagerumschlagshäufigkeit

Bedeutung: Gibt an, wie oft der Lagerbestand innerhalb eines Jahres vollständig erneuert oder verkauft wird—eine hohe Kennzahl zeigt effizienten und dynamischen Lagerbetrieb an.   

Berechnung:

Berechnung: Lagerumschlagshäufigkeit = Wareneinsatz ÷ durchschnittlicher Lagerbestand

Sie bildet häufig die Grundlage für weitere Kennzahlen wie Lagerdauer.  

Bestandsrücksendequote

Definition & Bedeutung: Zeigt den Anteil der Rückläufer (Retouren) an sämtlichen eingelagerten oder gelieferten Einheiten. Hat direkten Einfluss auf Logistik- und Wiederbeschaffungskosten und ist somit ein zentraler KPI für Retourenmanagement.

Sell-through-Rate (STR)

Bedeutung: Misst den Anteil der erhaltenen Waren, der tatsächlich verkauft wird—eine wichtige Größe zur Beurteilung der Warenbeweglichkeit und Lagerumschlagseffizienz.

Backorder-Quote

Definition & Bedeutung: Gibt Aufschluss darüber, welcher Anteil an Bestellungen aufgrund fehlender Ware verzögert wird. Ein hoher Wert zeigt Bedarf zur Prozessoptimierung und besseren Bestandssteuerung.

Servicegrad

Bedeutung: Misst die Fähigkeit des Lagers, Nachfrage zeitgerecht und vollständig zu bedienen—zentrale Kennzahl für Kundenzufriedenheit und Lieferqualität. 

Berechnung:

Berechnung: Servicegrad = (termingerecht und vollständig erfüllte Aufträge ÷ Gesamtzahl der Aufträge) × 100 %

Ergänzende-Kennzahlen

Neben den klassischen Bestandskennzahlen gibt es weitere wichtige Kennzahlen, die wertvolle Einblicke in die Lagerwirtschaft bieten und zur Optimierung von Lagerprozessen beitragen können.

Lagerreichweite (Verweildauer in Tagen)

Bedeutung: Die Lagerreichweite gibt an, wie lange der aktuelle Lagerbestand bei unverändertem Verbrauch voraussichtlich ausreicht. Sie ist ein Indikator für die Effizienz der Lagerhaltung und hilft, Engpässe oder Überbestände frühzeitig zu erkennen.  

Berechnung:

Tatsächliche Lagerreichweite:

Lagerreichweite (in Tagen) = Lagerbestand ÷ durchschnittlicher Tagesverbrauch

Geplante Lagerreichweite (inkl. offener Bestellungen):

Lagerreichweite (in Tagen) = (Lagerbestand + offene Bestellungen) ÷ durchschnittlicher Tagesverbrauch

Eine hohe Lagerreichweite kann auf eine geringe Umschlagshäufigkeit oder Überbestände hinweisen, während eine zu niedrige Lagerreichweite auf potenzielle Lieferengpässe oder Unterversorgung hindeuten kann.

Lagerkostensatz

Bedeutung: Der Lagerkostensatz gibt an, wie hoch die Kosten für die Lagerung von Waren im Verhältnis zum durchschnittlichen Lagerbestand sind. Ein hoher Lagerkostensatz kann auf ineffiziente Lagerprozesse oder überhöhte Bestände hinweisen.  

Berechnung:

Lagerkostensatz = (Gesamtlagerkosten ÷ durchschnittlicher Lagerbestand) × 100

Beispiel: Wenn die Gesamtlagerkosten 50.000 € betragen und der durchschnittliche Lagerbestand 200.000 €, ergibt sich ein Lagerkostensatz von 25 %.

Kapitalbindungskosten

Bedeutung: Kapitalbindungskosten sind die Kosten, die durch das im Lagerbestand gebundene Kapital entstehen. Sie stellen die Opportunitätskosten dar, da das Kapital nicht anderweitig investiert werden kann.  

Berechnung:

Kapitalbindungskosten = durchschnittlicher Lagerbestand × Lagerzinssatz

Beispiel: Bei einem durchschnittlichen Lagerbestand von 200.000 € und einem Lagerzinssatz von 5 % betragen die Kapitalbindungskosten 10.000 €.

Meldebestand

Bedeutung: Der Meldebestand ist der Lagerbestand, bei dessen Erreichen eine Bestellung ausgelöst werden sollte, um einen reibungslosen Produktions- oder Verkaufsprozess sicherzustellen. Er berücksichtigt den durchschnittlichen Verbrauch und die Lieferzeit.  

Berechnung:

Meldebestand = (durchschnittlicher Tagesverbrauch × Lieferzeit) + Sicherheitsbestand

Beispiel: Bei einem durchschnittlichen Tagesverbrauch von 50 Einheiten, einer Lieferzeit von 10 Tagen und einem Sicherheitsbestand von 200 Einheiten ergibt sich ein Meldebestand von 700 Einheiten.

Praxis & Tipps: Wie Unternehmen die passenden Kennzahlen wählen

Die Auswahl der richtigen Bestandskennzahlen (KPIs) ist entscheidend für eine effektive Lagersteuerung. Hier sind praxisnahe Tipps, wie Unternehmen die passenden KPIs identifizieren können:

Auswahl anhand der eigenen Geschäftsziele

Die Wahl der KPIs sollte stets in direktem Zusammenhang mit den übergeordneten Unternehmenszielen stehen. Ein Unternehmen, das beispielsweise seine Lieferzeiten verkürzen möchte, sollte KPIs wie „Lagerumschlagshäufigkeit“ oder „Lagerdauer“ priorisieren. Ein Fokus auf Kostensenkung könnte die „Lagerkostensatz“-Kennzahl in den Vordergrund rücken.

Ein strukturierter Ansatz zur Auswahl relevanter KPIs ist die Anwendung der SMARTER-Kriterien:

Spezifisch: Der KPI sollte klar und eindeutig sein.

Messbar: Es muss eine quantitative Erfassung möglich sein.

Erreichbar: Der KPI sollte realistisch erreichbar sein.

Relevant: Der KPI sollte einen direkten Bezug zum Unternehmensziel haben.

Zeitgebunden: Der KPI sollte in einem definierten Zeitraum messbar sein.

Evaluiert: Der KPI sollte regelmäßig überprüft werden.

Neu bewertet: Der KPI sollte bei Bedarf angepasst werden.

Dieser strukturierte Ansatz hilft, KPIs auszuwählen, die nicht nur messbar, sondern auch zielgerichtet und anpassungsfähig sind.

Vorsicht: Nicht jede Kennzahl ist für jede Situation sinnvoll

Es ist wichtig zu erkennen, dass nicht jede Kennzahl in jeder Situation sinnvoll ist. Beispielsweise kann eine hohe Lagerumschlagshäufigkeit in einem Unternehmen, das hochwertige oder saisonale Produkte vertreibt, nicht immer positiv sein. In solchen Fällen könnte eine längere Lagerdauer akzeptabel sein, um die Produktqualität zu gewährleisten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Datenqualität. Die besten KPIs nützen wenig, wenn die zugrunde liegenden Daten ungenau oder unvollständig sind. Daher sollte vor der Implementierung eines KPIs stets die Qualität und Verfügbarkeit der benötigten Daten überprüft werden.

Tipps zur praktischen Umsetzung

Beginnen Sie mit wenigen, aber aussagekräftigen KPIs: Statt eine Vielzahl von Kennzahlen zu verfolgen, konzentrieren Sie sich auf die wichtigsten, die direkt mit Ihren Zielen verknüpft sind.

Nutzen Sie moderne Tools: Softwarelösungen können helfen, KPIs in Echtzeit zu überwachen und visuell aufzubereiten.

Regelmäßige Überprüfung: KPIs sollten regelmäßig überprüft und bei Bedarf angepasst werden, um sicherzustellen, dass sie weiterhin relevant sind.

Schulung der Mitarbeiter: Stellen Sie sicher, dass alle Beteiligten die Bedeutung und Anwendung der KPIs verstehen, um eine effektive Nutzung zu gewährleisten.

Fazit

Die Einführung und konsequente Anwendung von Bestandskennzahlen (KPIs) bietet Unternehmen vielfältige Vorteile. Sie ermöglichen nicht nur eine präzisere Steuerung der Lagerbestände, sondern tragen auch maßgeblich zur Erreichung strategischer Unternehmensziele bei.

Zusammenfassung der Nutzen:

Kosteneinsparung: Durch die Identifikation von Überbeständen und ineffizienten Lagerprozessen können Unternehmen ihre Lagerkosten erheblich senken.  

Effizienzsteigerung: Die regelmäßige Überwachung von KPIs wie der Lagerumschlagshäufigkeit oder der Lagerdauer hilft, Prozesse zu optimieren und Engpässe frühzeitig zu erkennen.  

Erhöhte Verfügbarkeit: Ein gezieltes Bestandsmanagement stellt sicher, dass Produkte stets in ausreichender Menge verfügbar sind, was die Kundenzufriedenheit und -bindung fördert.  

Empfehlung: Regelmäßiges Monitoring & Anpassung der Kennzahlen

Ein einmaliges Festlegen von KPIs reicht nicht aus. Um langfristig von den Vorteilen zu profitieren, sollten Unternehmen:

Regelmäßige Überprüfungen: Die KPIs sollten in festgelegten Intervallen überprüft werden, um aktuelle Entwicklungen und Veränderungen im Unternehmen zu berücksichtigen.

Anpassungen vornehmen: Bei Bedarf sollten die Kennzahlen angepasst oder ergänzt werden, um neuen Herausforderungen oder Zielen gerecht zu werden.

Technologische Unterstützung nutzen: Der Einsatz moderner Lagerverwaltungssoftware kann die Erfassung und Analyse der KPIs erleichtern und automatisieren.  

Durch ein kontinuierliches Monitoring und die flexible Anpassung der Bestandskennzahlen können Unternehmen ihre Lagerprozesse nachhaltig optimieren und sich so einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

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