Arbeitsschutzgesetz und Staplerbetrieb: Das müssen Unternehmer wissen
In Betrieben, in denen Gabelstapler eingesetzt werden, spielt der Arbeitsschutz eine herausragende Rolle. Gabelstapler sind unverzichtbare Helfer beim Heben, Tragen und Manövrieren schwerer Lasten – gleichzeitig aber geht von ihnen auch ein hohes Unfallrisiko aus. Unfälle mit Staplern können verheerende Folgen für Mitarbeitende und den Betrieb haben. Deshalb ist der Arbeitsschutz im Staplerbetrieb nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern eine maßgebliche Voraussetzung für sichere und effiziente Arbeitsabläufe.
Ziel dieses Artikels ist es, Unternehmen umfassend darüber aufzuklären, welche rechtlichen Anforderungen im Rahmen des Arbeitsschutzgesetzes im Staplerbetrieb gelten – und wie sie diese in der Praxis erfolgreich umsetzen können. Sie erfahren, welche Pflichten sich daraus ergeben, wie Unterweisungen und Gefährdungsbeurteilungen gestaltet werden sollten, was bei Prüfungen und Betriebsanweisungen zu beachten ist, und wie Sie mit gezielten Maßnahmen Unfälle vermeiden und zugleich langfristig wirtschaftlich handeln können.
Rechtliche Grundlagen
Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG): Gefährdungsbeurteilung, technische und organisatorische Schutzmaßnahmen
Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber, Gefährdungen für Beschäftigte systematisch zu erkennen und geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten – sowohl technischer als auch organisatorischer Natur. Gemäß § 4 ArbSchG sollten technische Maßnahmen (z. B. Sicherheitsvorrichtungen am Stapler) Vorrang haben, gefolgt von organisatorischen Maßnahmen (z. B. klare Arbeitsabläufe und Unterweisungen). Ein dokumentiertes Vorgehen ist ausdrücklich gefordert – die Gefährdungsbeurteilung ist damit eine zentrale Grundlage jeder Arbeitsschutzstrategie.
Unfallverhütungsvorschriften (UVV), insbesondere DGUV Vorschrift 68 für Flurförderzeuge
Die DGUV Vorschrift 68 (vormals BGV D27) legt spezielle Anforderungen an den sicheren Einsatz von Flurförderzeugen fest – also Stapler und ähnliche Geräte. Sie definiert Begriffsanforderungen wie „Flurförderzeug“ oder „Regalstapler“ und konkretisiert beispielsweise die Pflicht, Stapler auf Mängel vor jedem Einsatz zu prüfen und erkennbare Gefahren dem Unternehmen zu melden. Zusätzlich fordert sie eine schriftliche Betriebsanweisung, die leicht verständlich im Betrieb verfügbar sein muss.
Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und Technische Regeln für Betriebssicherheit (TRBS)
Die BetrSichV regelt in Deutschland die sichere Bereitstellung und Nutzung von Arbeitsmitteln – auch Staplern – und legt fest, dass Gefährdungsbeurteilung, Prüfung und Schutz gemäß dem Stand der Technik erfolgen müssen. Die TRBS konkretisieren diese Vorgaben – etwa TRBS 1201 zu Prüfungen und Kontrollen von Arbeitsmitteln und überwachungsbedürftigen Anlagen. In TRBS 2111 Teil 1 werden gezielt Schutzmaßnahmen gegen mechanische Gefährdungen beim Einsatz mobiler Arbeitsmittel wie Gabelstaplern erläutert. Auch die neue TRBS 1116 betont die Notwendigkeit formaler, schriftlicher Beauftragungen und spezialisierter Qualifikation für Staplerfahrer.
Gefährdungsbeurteilung und technische Sicherheitsmaßnahmen
Erstellen einer Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG)
Unternehmer sind laut § 5 des Arbeitsschutzgesetzes verpflichtet, Gefährdungen am Arbeitsplatz systematisch zu identifizieren, zu bewerten und entsprechende Schutzmaßnahmen abzuleiten. Im Staplerbetrieb umfasst das insbesondere Risiken wie Kollisionen, Umkippen, Lastabwurf, Rutschgefahr oder Belastungen durch Lärm und Vibrationen. Die Gefährdungsbeurteilung ist damit der zentrale Ausgangspunkt für weitere Schutzinstrumente wie Betriebsanweisungen und Unterweisungen – und muss dokumentiert sowie regelmäßig aktualisiert werden, insbesondere nach Veränderungen im Betrieb oder Unfällen.
Regelmäßige Prüfung und Instandhaltung von Staplern und Arbeitsmitteln (Prüfbuch, Sachkundige)
Stapler müssen regelmäßig geprüft und instand gehalten werden – dazu gehört ein täglicher Sicht- und Funktionscheck durch den Bediener sowie umfassende Inspektionen durch befähigte Personen (Sachkundige). Nach DGUV Vorschrift 68 sind Inspektionen jährlich nach FEM 4.004 durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Prüfungen sind im Prüfbuch zu dokumentieren, das der Nachweis ordnungsgemäßer Kontrollen ist und im Falle von Ermittlungen Behörden vorgelegt werden muss.
Raumgestaltung, Verkehrswege und Trennung von Fahrzeug‑ und Fußgängerverkehr
Ein sicherer Staplerbetrieb verlangt mehr als technische Kontrollen – auch die Gestaltung des Umfelds spielt eine entscheidende Rolle. Verkehrswege sollten eindeutig markiert sein, um Stapler- von Fußgängerverkehr klar zu trennen. Betriebsanweisungen können hier konkrete Verhaltensregeln wie Einfahrverbote oder Vorrangsregelungen festlegen. Ebenso müssen Warnsignale berücksichtigt und ggf. Lärmbelastung durch geeignete Maßnahmen wie Motorwartung oder Rückzugsbereiche reduziert werden. Diese Regelungen dienen sowohl dem Schutz der Mitarbeiter als auch dem Erhalt eines reibungslosen Arbeitsablaufs.
Unterweisung und Qualifikation von Staplerfahrern
Pflicht zu jährlich wiederkehrenden Unterweisungen: Dokumentation, Inhalte, Praxisbezug
Unternehmer müssen Staplerfahrer einmal jährlich unterweisen — unabhängig vom Staplerschein. Diese Sicherheitsunterweisung dient der Auffrischung und Unfallvermeidung und kann sowohl mündlich als auch digital erfolgen. Inhaltlich sollte sie sowohl verhaltensbezogene Aspekte (z. B. Unfallverhütung, Betriebsanweisungen, Erste-Hilfe-Verhalten) als auch gerätebezogene Elemente (Bedienung, Anbaugeräte, Fehlererkennung bei der Tageskontrolle) abdecken. Die Unterweisung muss dokumentiert werden – z. B. per Formular, unterschrieben von Unterweisendem und Teilnehmer. Bei veränderten Risikolagen oder Unfällen kann auch eine häufigere Unterweisung notwendig sein.
Eignung der Fahrer prüfen: körperlich, geistig und charakterlich (z. B. arbeitsmedizinische Untersuchung G25 / DGUV‑Empfehlungen)
Nach DGUV Vorschrift 68 (§ 7) dürfen nur geeignet ausgebildete Personen selbstständig mit Staplern fahren. Dazu gehören ein Mindestalter von 18 Jahren, nachgewiesene Ausbildung und Befähigung sowie körperliche Tauglichkeit. Die körperliche Eignung sollte idealerweise über eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung, traditionell nach dem Berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G25, erfolgen – jedoch ist diese gesetzlich nicht zwingend vorgeschrieben, sondern nur sehr empfehlenswert zur Absicherung. In der überarbeiteten Fassung des DGUV Grundsatz 308‑001 (Dezember 2022) wird statt G25 auf die aktuellen DGUV-Empfehlungen zur Eignungsbeurteilung verwiesen. Unternehmer können die Eignung damit auch durch eigene Fragebögen oder Protokolle feststellen – bei Zweifeln sollte jedoch eine ärztliche Abklärung erfolgen.
Staplerschein nach DGUV Vorschrift 68 und Grundsatz 308‑001
Für das Führen von Flurförderzeugen ist der sog. „Staplerschein“ erforderlich – er belegt die erfolgreiche Schulung und Befähigung gemäß DGUV Vorschrift 68 und DGUV Grundsatz 308‑001. Diese Ausbildung umfasst sowohl einen theoretischen als auch einen praktischen Teil, muss mit einer Prüfung abgeschlossen werden und erfordert eine schriftliche Beauftragung durch den Unternehmer.
Pflichten des Unternehmers und Haftung
Unternehmer trägt Verantwortung für sichere Betriebsbedingungen
Der Unternehmer ist rechtlich direkt dafür verantwortlich, Arbeitsschutzmaßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und gesundheitsgefährdenden Situationen umzusetzen und aufrechtzuerhalten. Das umfasst insbesondere die Bereitstellung technischer und organisatorischer Schutzmaßnahmen gemäß dem Arbeitsschutzgesetz, sowie die Auswahl von qualifiziertem Personal und die Kontrolle der betrieblichen Sicherheitsorganisation.
Möglichkeit der Pflichtenübertragung auf qualifizierte Personen – schriftlich geregelt
Einige Unternehmerpflichten dürfen auf fachkundige und zuverlässige Personen delegiert werden—z. B. auf Meister, Sicherheitsbeauftragte oder Vorgesetzte. Diese Pflichtenübertragung muss schriftlich erfolgen, klar formuliert sein und die Verantwortungsbereiche sowie Kompetenzen beinhalten. Dennoch bleibt der Unternehmer in der Pflicht für korrekte Auswahl, wirksame Überwachung und Kontrolle — eine vollständige Entlastung ist nicht möglich.
Mögliche Rechtsfolgen bei Verstößen: zivilrechtliche, strafrechtliche und versicherungsrechtliche Konsequenzen
Verstößt der Unternehmer gegen Arbeitsschutzbestimmungen – etwa durch mangelnde Unterweisung – drohen vielfältige rechtliche Konsequenzen:
• Zivilrecht: Bei Schäden haftet er gegenüber Geschädigten, z. B. durch Schadensersatzforderungen, und kann sich nicht auf Haftungsbegrenzungen nach dem SGB VII berufen, wenn ihm grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen wird.
• Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht: Fahrlässigkeit bei Personen- oder Sachschäden kann strafrechtlich relevant sein; Aufsichtspflichtverletzungen können hohe Bußgelder nach sich ziehen. Auch Versicherungen wie die gesetzliche Unfallversicherung übernehmen nicht automatisch die Haftung, insbesondere wenn keine angemessenen Schutzmaßnahmen vorlagen.
Praktische Tipps für Unternehmen
Erstellung eines Arbeitsschutzmanagementsystems (AMS) zur systematischen Umsetzung
Ein Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) hilft dir dabei, Arbeitsschutzprozesse strukturiert zu organisieren und in den Betriebsalltag zu integrieren. Es definiert klare Verantwortlichkeiten, fördert systematische Abläufe und macht Arbeitsschutz zur Führungsaufgabe. Unternehmen, die ein AMS nutzen, laufen seltener Gefahr, bei Kontrollen beanstandet zu werden – das steigert sowohl Rechtssicherheit als auch Effizienz und Mitarbeitermotivation. Eine verbreitete Orientierung ist die internationale Norm ISO 45001, deren nationale Version DIN EN ISO 45001 seit Dezember 2023 in Kraft ist und Anforderungen an ein wirksames AMS definiert. Unfallversicherungsträger wie VBG, BGHM oder BG ETEM bieten dafür branchenspezifische Leitfäden, Begutachtungen und Begleitung an – etwa das „AMS – Arbeitsschutz mit System“ der VBG.
Regelmäßige Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung, Unterweisungen und Prüfdokumente
Arbeitsschutz ist dynamisch – Betrieb, Technik und Aufgaben verändern sich. Daher müssen Gefährdungsbeurteilungen, Unterweisungen und Prüfdokumente regelmäßig überprüft und an neue Bedingungen angepasst werden. Ein gut etabliertes AMS setzt auf einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP), bei dem Dokumente systematisch gepflegt und Verantwortlichkeiten klar definiert werden. Die ISO 45001, ebenso wie nationaler Leitfaden oder UV-Trägerkonzepte, betonen ausdrücklich die Rolle der ständigen Verbesserung und Wirksamkeitskontrolle der Schutzmaßnahmen.
Fazit
Im Staplerbetrieb trägt der Unternehmer eine umfassende Verantwortung: Er muss eine fundierte Gefährdungsbeurteilung erstellen, Mitarbeiter regelmäßig ausbilden und unterweisen, Prüfungen und Instandhaltungen veranlassen, die Eignung der Fahrer sicherstellen sowie die Haftung für sichere Betriebsbedingungen übernehmen — oder mögliche rechtliche Konsequenzen tragen. All diese Pflichtbereiche bilden die tragende Säule eines arbeitssicheren Staplerbetriebs.
Arbeitsschutz im Umgang mit Gabelstaplern ist mehr als nur eine gesetzliche Verpflichtung – er ist eine unternehmerische Notwendigkeit. Gute Sicherheitsstandards schützen nicht nur die Beschäftigten, sondern sichern auch den reibungslosen Betriebsablauf und das betriebliche Fortbestehen. Prävention ist zugleich die effizienteste und wirtschaftlichste Strategie – denn gesunde Mitarbeitende und ein sicheres Umfeld sind ein wertvoller Wettbewerbsvorteil.