Stapler‑Einsätze in explosionsgefährdeten Umgebungen: Technik und Vorschriften
Bedeutung von explosionsgefährdeten Umgebungen in Industrie und Logistik
Industriebetriebe wie Chemie-, Pharma-, Lebensmittel- oder Getreideverarbeitungsanlagen, aber auch Anlagen der Papierherstellung und Abfallwirtschaft, sind potenzielle Quellen für explosionsfähige Atmosphären – entweder durch Gase, Dämpfe oder Staubwolken. Bereits kleinste Funken oder heiße Oberflächen können hier zur Explosion führen, mit gravierenden Folgen für Mensch und Material.
In der Logistik ist der Einsatz von Staplern in solchen Bereichen besonders kritisch: Sie bewegen Materialien direkt in Zonen, in denen latent explosionsfähige Stoffe vorhanden sein können. Deshalb sind Regulierungen wie die ATEX-Richtlinien (2014/34/EU zur Produktsicherheit sowie 1999/92/EG zur Betriebssicherheit) unverzichtbar für einen gesetzeskonformen und sicheren Betrieb.
Warum speziell ausgestattete Stapler essenziell sind
Standard‑Stapler enthalten Komponenten, die Funken erzeugen oder sich stark erhitzen können – wie elektrische Schalter, Bremsen, Gabelzinken. In explosionsgefährdeten Bereichen ist deshalb der Einsatz von „Ex‑geschützten“ Staplern zwingend erforderlich, um Zündquellen sicher zu vermeiden.
Hersteller wie Linde, STILL, Jungheinrich, Toyota oder Hyster bieten Stapler mit druckfester oder eigensicherer Kapselung, antistatischen Bauteilen und Temperaturüberwachung an – vielfach individuell zertifiziert gemäß DIN EN 1755 und ATEX.
Diese speziell ausgerüsteten Fahrzeuge minimieren das Risiko durch Zündquellen, gewährleisten gleichzeitig hohe Umschlagsleistung und schützen Mitarbeiter sowie Anlagen – damit Materialfluss und Sicherheit Hand in Hand gehen.
Gesetzlicher Rahmen & Klassifikation
ATEX‑Richtlinien
Die ATEX‑Produktrichtlinie 2014/34/EU regelt die CE‑Kennzeichnung und Konformitätsbewertung von gerätebezogenen Schutzsystemen in explosionsgefährdeten Bereichen – sowohl elektrische als auch nicht-elektrische Komponenten müssen geprüft und gekennzeichnet sein. Sie trat am 30. Juni 2003 in Kraft und ersetzt die frühere Richtlinie 94/9/EG. Besonders für Stapler gilt: Hersteller sind verpflichtet, eine Risikobeurteilung und ggf. eine Baumusterprüfung durch eine benannte Stelle durchzuführen, insbesondere bei Gerätekategorie 1 und 2.
Die ATEX‑Betriebsrichtlinie 1999/92/EG (oft als ATEX 137 oder VEXAT bezeichnet) ist für Betreiber relevant: Sie verpflichtet dazu, explosionsgefährdete Zonen zu klassifizieren, ein Explosionsschutzdokument zu erstellen und technische sowie organisatorische Schutzmaßnahmen umzusetzen, um Zündquellen zu vermeiden.
Zoneneinteilung nach ATEX
Explosionsgefährdete Bereiche werden je nach Stoff (Gase vs. Staub) und Auftretenshäufigkeit in Zonen eingeteilt:
• Zone 0 bzw. Zone 20: explosionsfähige Atmosphäre ist kontinuierlich, häufig oder über lange Zeiträume vorhanden
• Zone 1 bzw. Zone 21: explosionsfähige Atmosphäre tritt gelegentlich während des Normalbetriebs auf
• Zone 2 bzw. Zone 22: explosionsfähige Atmosphäre ist im Normalbetrieb normalerweise nicht vorhanden und tritt nur selten zeitlich begrenzt auf
Die Bezeichnung G (Gas) und D (Dust) unterscheidet dabei klar zwischen gas- und staubgefährdeten Bereichen, wobei eine genaue Risikobewertung für die Zonenzuordnung erforderlich ist.
Relevante Normen
• DIN EN 1755:2015 definiert Anforderungen für Stapler im explosionsgefährdeten Einsatz, insbesondere hinsichtlich antistatischer Komponenten, Oberflächenwiderstand und elektrostatischer Sicherheit.
• ISO 3691‑1:2011 (mit Amendment 2020) stellt generelle sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfverfahren für selbstfahrende Flurförderzeuge sicher. Sie fordert robuste Maschinensicherheit und Risikobewertung für alle Staplertypen – auch im explosionsgeschützten Einsatz relevant.
• EN 13463 (jetzt ersetzt durch EN ISO 80079‑36/‑37) galt bislang für nicht-elektrische Geräte in Ex‑Bereichen. Sie enthält Vorgaben zur Konstruktion, Risikobewertung und Zündquellenkontrolle (z. B. durch Bauweise „c“ oder Kontrollmaßnahmen „b“). Die überarbeitete Normenreihe EN ISO 80079 erweitert diese Anforderungen und ist seit 2016 gültig.
Warum diese Regelungen wichtig sind
Nur durch die kombinierte Anwendung der ATEX‑Produktrichtlinie (für Hersteller) und der Betriebsrichtlinie (für Betreiber) sowie der relevanten Normen können Stapler ordnungsgemäß für den Einsatz in Zonen 0–2 bzw. 20–22 klassifiziert und betrieben werden.
Diese Vorgaben sorgen dafür, dass sowohl die Stapler als auch deren Einsatzumgebung sicher gestaltet sind – und gewährleisten den Schutz von Mitarbeitern, Anlagen und Prozessen.
Explosionsschutzmaßnahmen bei Staplern
Elektrische Komponenten
Elektrische Baugruppen wie Motoren, Steuerungseinheiten, Schalter oder Displays müssen durch spezifische Zündschutzarten gesichert sein: Dazu zählen druckfeste Kapselung (Ex d), Eigensicherheit (Ex i), Vergusskapselung (Ex m) sowie nicht-funkende Schalter und Displays, die eine Zündquelle zuverlässig verhindern. Hersteller verwenden diese Schutzarten, um Funken, Lichtbögen oder Lichtbögenwirkungen zu verhindern und Geräte bei zulässiger maximaler Temperatur zu halten.
Mechanische Komponenten
Mechanisch erzeugte Funken durch Reibung oder Schlag sind eine große Gefahr im Ex-Bereich. Deshalb kommen antistatische oder metallbeschichtete Gabelzinken (z. B. mit Edelstahl oder Messing) zum Einsatz. Auch Bauteile wie Bremsteile oder Hydraulikkomponenten sind so konstruiert, dass Funkenbildung verhindert wird.
Temperaturschutz & Überwachung
Stapler mit Ex-Ausstattung verfügen über eine elektronische Temperaturüberwachung, die kritische Komponenten wie Motor oder Steuerung überwacht. Sobald eine zu hohe Temperatur erkannt wird, erfolgt automatische Drosselung oder Abschaltung, um heiße Oberflächen zu vermeiden, die als Zündquelle wirken könnten.
Erdung
Um elektrostatische Zündgefahren zu eliminieren ist bei Ex-Staplern die statische Ableitung über Erdungsbänder oder spezielle Erdungskabel üblich – so wird Ladung sicher an einen Erdungspunkt abgeführt.
Sensorik & Gaswarnsysteme
In Bereichen wie Zone 1 oder Zone 2 empfiehlt sich die Integration von Gaswarnanlagen direkt am Stapler. Solche Systeme erkennen gefährliche Konzentrationen von Gasen und können eine akustische Warnung ausgeben oder das Fahrzeug automatisch abschalten, um Zündrisiken zu minimieren.
Warum diese Maßnahmen unverzichtbar sind
Nur durch das Zusammenspiel von elektrischen, mechanischen, thermischen und antistatischen Schutzmaßnahmen lassen sich Zündquellen zuverlässig minimieren. Ex-geschützte Stapler gewährleisten so Sicherheit in explosionsgefährdeten Umgebungen und ermöglichen dennoch effiziente Prozesse und hohe Umschlagleistung – wie von führenden Herstellern wie Linde, STILL oder Jungheinrich in ihren entsprechenden Fahrzeugserien umgesetzt.
Betreiberpflichten & Prüfanforderungen
Pflichten laut DGUV Vorschrift 68 (UVV)
Nach der DGUV Vorschrift 68 „Flurförderzeuge“ ist der Betreiber gesetzlich verpflichtet:
• Der Fahrer muss täglich vor Einsatzbeginn eine Sicht- und Funktionsprüfung des Staplers durchführen. Erkennt er Mängel, die die Sicherheit beeinträchtigen, darf er das Fahrzeug nicht in Betrieb nehmen und muss diese umgehend melden (§ 9).
• Die Prüfung erfolgt in der Regel anhand einer Checkliste und erfasst technisches Equipment, Sicherheitseinrichtungen und erkennbare Mängel.
• Darüber hinaus ist einmal jährlich eine Sachkundigenprüfung durch eine befähigte Person gemäß der Vorgaben zu FEM 4.004 erforderlich. Sie dokumentiert Zustand der Bauteile, Vollständigkeit und Wirkung der Sicherheitseinrichtungen sowie die Prüfergebnisse.
• Der Prüfnachweis muss schriftlich dokumentiert werden und Angaben zu Datum, Prüfumfang, Ergebnis und Name/Adresse des Prüfers enthalten. Nach erfolgreicher Prüfung wird eine Prüfplakette am Fahrzeug angebracht.
Anforderungen der ATEX‑Betriebsrichtlinie 1999/92/EG (VEXAT)
Die ATEX‑Betriebsrichtlinie 1999/92/EG verpflichtet Arbeitgeber in explosionsgefährdeten Betrieben dazu:
• Eine Explosionsrisikobeurteilung durchzuführen, in deren Rahmen gefährdete Bereiche klassifiziert und in Zonen (z. B. Zone 1, 2 bzw. Zone 21, 22) eingeteilt werden müssen.
• Auf Basis dieser Zoneneinteilung ist ein schriftliches Explosionsschutzdokument zu erstellen – als Nachweis der Gefährdungsanalyse und der festgelegten Schutzmaßnahmen.
• Mitarbeitende müssen regelmäßig in sachgerechtem Verhalten geschult und unterwiesen werden. Sie sollen typische Zündgefahren, Zoneneinteilung, Verhaltensregeln sowie Maßnahmen bei Störungen oder besonderen Betriebszuständen kennen.
• Der Arbeitgeber hat Maßnahmen zur Vermeidung von explosionsfähiger Atmosphäre sowie zur Vermeidung wirksamer Zündquellen umzusetzen und bei Gefahr eine Rückzugsstrategie vorzusehen. Die Schutzmaßnahmen müssen regelmäßig überprüft und angepasst werden, bspw. nach Änderungen in Betriebsprozessen.
Warum sind diese Vorschriften so wichtig?
Die tägliche Sichtprüfung sowie die jährliche Sachkundigenprüfung nach DGUV Vorschrift 68 sichern den technisch einwandfreien Zustand des Staplers. Gleichzeitig sorgt das ATEX‑Basiskonzept mit Zoneneinteilung, Explosionsschutzdokument und Mitarbeiterschulungen dafür, dass auch organisatorische und betriebliche Anforderungen erfüllt sind. Zusammengenommen gewährleisten diese Maßnahmen eine fundierte und nachhaltige Sicherheit für Menschen, Anlagen und Betrieb.
Fazit & Empfehlungen für Betreiber
Die Auswahl der richtigen Staplertechnik entsprechend der jeweiligen ATEX-Zone ist von entscheidender Bedeutung: Nur Fahrzeuge mit passender Ex-Zertifizierung, Schutzklasse und Temperaturklassifizierung gewährleisten Sicherheit in explosionsgefährdeten Umgebungen. Ein Stapler, der in Zone 2 zugelassen ist, ist nicht zwingend für Zone 1 geeignet. Betreiber sollten daher genau prüfen, welche Zoneneinstufung im Einsatzbereich vorliegt und nur Geräte verwenden, die konform klassifiziert und zertifiziert sind. Für jede Zone gilt: Nur durch speziell ausgestattete Ex-Stapler lassen sich Risiken zuverlässig minimieren.
Empfehlungen:
• Staplertechnik exakt auf Zone abstimmen: Zonenklassifizierung (z. B. Zone 1/2 oder Zone 21/22) muss bei der Auswahl des Staplers berücksichtigt werden. Eine falsche Klassifizierung kann die gesamte Sicherheit gefährden.
• Explosionsschutz in die Sicherheitspolitik einbinden: Das Explosionsschutzdokument gemäß ATEX 1999/92/EG ist für Betreiber Pflicht. Es muss Zonen klassifizieren, Risiken belegen und konkrete Schutzmaßnahmen festlegen.
• Mitarbeitende regelmäßig unterweisen: Schulungen zur Zoneneinteilung, zu Verhaltensregeln und Umgang mit Störungen sind zentral, um Unachtsamkeit als Zündquelle auszuschließen.
Warum diese Maßnahmen so wichtig sind
Ohne eine klare Zoneneinteilung und gezielt ausgewählte Staplertechnik kann eine potentielle Gefährdung nicht zuverlässig kontrolliert werden. Durch Kombination technischer und organisatorischer Maßnahmen wird eine umfassende Sicherheitskultur etabliert – die nicht nur gesetzliche Anforderungen erfüllt, sondern auch das Vertrauen der Mitarbeitenden stärkt und Betriebsrisiken minimiert.