Vom Stapeln zur Automatisierung: Zukunftstrends in der Gabelstaplerbranche
Die Intralogistik, also die Steuerung, Organisation und Optimierung von Material- und Warenflüssen innerhalb eines Unternehmensstandorts, befindet sich derzeit in einem tiefgreifenden Wandel. Durch die rasante Entwicklung digitaler Technologien wie IoT-Sensorik, Warehouse-Management-Systeme (WMS), Künstliche Intelligenz (KI) und autonome Liefer- sowie Transportroboter entstehen völlig neue Möglichkeiten, Prozesse schneller, präziser und flexibler zu gestalten.
Warum ist dieser Wandel heute so bedeutend?
• Demografischer Wandel & Fachkräftemangel
In Europa – und insbesondere in Deutschland – fehlt der Logistikbranche zunehmend qualifiziertes Personal. Prognosen der European Logistics Association sprechen von einem Mangel von über 400.000 Fachkräften im europäischen Logistiksektor im Jahr 2025. Automatisierung bietet hier die ganz konkrete Chance, Prozesse weiterzuführen, auch wenn Menschen fehlen.
• Kostendruck & steigende Erwartungen
Der steigende E‑Commerce‑Boom, schwankende Bestellvolumina und höhere Anforderungen an Liefergeschwindigkeit und Transparenz treiben Unternehmen zu datengetriebenen, skalierbaren Logistikkonzepten. Digitale Lösungen senken Fehlerquoten, optimieren Ressourcen und verschaffen Wettbewerbsvorteile.
• Technologische Reife & sinkende Preise
Technologien wie autonome mobile Roboter (AMRs), digitale Zwillinge und KI-gesteuerte Steuerungssysteme sind heute technisch vielseitig einsetzbar und kosteneffizient – etwa dank deutlich gesunkener Lithium-Ionen-Batteriepreise seit 2010.
• Exponentielles Wachstum der Automatisierung
Nach einem vergleichsweise langsamen Einstieg erlebt der Markt für automatisierte Intralogistiklösungen nun einen sprunghaften Aufstieg. Der globale Markt soll von rund 39,6 Mrd USD im Jahr 2024 auf etwa 126 Mrd USD im Jahr 2034 steigen – ein klarer Hinweis darauf, dass der Wendepunkt erreicht ist.
Die Kombination aus Fachkräftemangel, wachsenden Anforderungen, gesunkenen Technologiepreisen und einem beschleunigten Automatisierungswachstum macht die Digitalisierung und Automatisierung in der Intralogistik zum entscheidenden Transformationsfaktor. In der Folge entsteht eine neue Logistik, die nicht nur mechanisch transportiert, sondern Prozesse intelligent, digital vernetzt und softwaregestützt steuert.
Automatisierung im Fokus
Welche Staplervorgänge eignen sich für Roboter?
Roboter und autonome Stapler sind besonders effizient bei repetitiven, standardisierten Prozessen mit hohem Durchsatz und klaren Ladeeinheiten. Dazu gehören:
• Transport zwischen Lagern, Produktions- oder Kommissionierbereichen
Fahrerlose Transportsysteme (FTS) übernehmen zuverlässig die Beförderung von Paletten oder Gitterboxen über kurze bis mittlere Strecken – rund um die Uhr, ohne Pausen. Ideal auch für hohe Tourenzahlen in automatisierten Umgebungen.
• Ein- und Auslagern in automatisierten Regalsystemen
Speziell Hochregalstapler wie L‑MATIC oder R‑MATIC von Herstellern wie Linde übernehmen vollautomatisiert Lagerbewegungen mit bis zu 11 Meter Hubhöhe, ideal bei Palettenhandling in automatisierten Lagern.
• Kommissionierung und Pick-by-Robot-Systeme
Pick‑by‑Robot automatisiert das Zusammenstellen von Artikeln aus Quellbehältern – unterstützt durch Bildverarbeitung und KI‑Algorithmen zur präzisen Greif- und Platzierungssteuerung.
• Routineaufgaben mit hoher Wiederholfrequenz
Tätigkeiten wie Bestandskontrolle und Kurzstreckentransporte eignen sich gut für Cobots und AMRs, die monotone Arbeit zuverlässig übernehmen und Mitarbeiter für anspruchsvollere Aufgaben entlasten.
Vorteile der Automatisierung: Geschwindigkeit, Präzision & Sicherheit
Geschwindigkeit und Betriebszeiten
FTS und AMRs können im 24/7-Betrieb eingesetzt werden – auch nachts, an Wochenenden oder Feiertagen. Das führt zu deutlichen Effizienzsteigerungen gegenüber manuell betriebenen Prozessen, bei denen Pausen unvermeidbar sind.
Präzision und Fehlerreduktion
Roboter arbeiten nach festen Algorithmen mit hoher Wiederholgenauigkeit – von der Positionierung der Last bis hin zur Umgebungserkennung. Die Folge: weniger beschädigte Ware, weniger Fehlplatzierungen und eine noch höhere Qualität der Logistikprozesse.
Sicherheit für Mensch und Maschine
Automatisierte Stapler verfügen über Sensorik, Laserscanner, Kameras und Not-Stopp-Systeme, um Kollisionen zu vermeiden und sicheres Verhalten in dynamischen Umgebungen zu gewährleisten. Das schützt vor Unfällen und reduziert das Verletzungsrisiko für Mitarbeitende.
Flexibilität & Skalierbarkeit
Moderne FTS/Lösungen sind modular ausgelegt: Sie lassen sich bei Bedarf erweitern, umprogrammieren oder in neue Lagerprozesse integrieren. Das ermöglicht eine Anpassung bei saisonalen Schwankungen oder strukturellen Änderungen ohne große Infrastrukturmaßnahmen.
Wirtschaftlichkeit & Kostenersparnis
Obwohl die Anschaffungskosten im Vergleich zu klassischen Staplern höher sein können, zahlen sich Automatisierungslösungen schnell aus – durch reduzierte Personalkosten, weniger Fehler, effizientere Flächennutzung und geringeren Wartungsaufwand.
Automatisierte Staplervorgänge eignen sich insbesondere für standardisierte, repetitive Aufgaben mit hohem Volumen – wie Transport, Ein-/Auslagern und Kommissionierung. Die durchgängigen Vorteile zeigen sich in gesteigerter Geschwindigkeit, exakter Ausführung und erhöhter Arbeitssicherheit. Damit wird deutlich: Automatisierung ersetzt den Menschen nicht – sie ergänzt ihn und schafft Raum für wertschöpfende Tätigkeiten.
Mensch vs. Maschine: Synergien nutzen
Welche Aufgaben bleiben menschlich erforderlich?
Auch in hochautomatisierten Umgebungen behalten Menschen zentrale Aufgaben, vor allem jene, die Flexibilität, Kreativität, Erfahrung oder komplexe Entscheidungsfähigkeit erfordern:
• Planung, Steuerung und Überwachung komplexer Prozesse
Menschen entscheiden, wie ein Lagerprozess optimiert wird oder ob in Echtzeit umstrukturiert werden muss – etwa bei wechselnden Auftragsprofilen oder unerwarteten Störungen. Cobots übernehmen lineare Teilschritte, während das Personal komplexe Entscheidungen trifft.
• Manuelle Aufgaben mit variabler Komplexität
Tätigkeiten wie das Einlagern nicht normierter Güter, Qualitätsprüfungen oder selektive Kommissionierung von Spezialartikeln bleiben menschlich, da hier Sensorik, Beweglichkeit und situatives Urteilsvermögen gefragt sind.
• Flexibler Umgang mit neuen Produkttypen oder Sonderfällen
Cobots sind heute kaum in der Lage, spontan auf neue Produkttypen oder untypische Situationen zu reagieren – Menschen übernehmen daher den Input bei Produktänderungen oder Sonderabwicklungen.
• Qualitätssicherung und visuelle Prüfung
Auch dort, wo Bildverarbeitungssysteme beginnen, Qualität zu prüfen, bleibt oft die abschließende Bewertung beim Menschen, insbesondere bei Abweichungen von Normmustern.
Mensch-Roboter-Kollaboration als Modell
Unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit
• Koexistenz: Mensch und Roboter arbeiten räumlich getrennt – z. B. ein Stapler fährt autonome Touren, während Mitarbeiter parallel manuelle Pickarbeiten erledigen.
• Kooperation: Klare Arbeitsteilung mit gemeinsamer Zielsetzung – etwa der Roboter transportiert Paletten, während der Mensch sie bestückt oder entlädt.
• Kollaboration: Mensch und Roboter agieren gleichzeitig und im direkt geteilten Arbeitsraum – z. B. Lean Planner Systeme, wo Be- und Entladen während der Roboterbewegung stattfinden (DIN EN ISO 10218‑1, ISO/TS 15066).
Vorteile der gemeinsamen Arbeit
• Entlastung und Ergonomieverbesserung: Cobots übernehmen schwere und monotone Aufgaben wie Palettierung oder repetitive Handling‑Schritte, während der Mensch flexibel agieren kann – das senkt Unfall- und Belastungsrisiken.
• Produktivitäts- und Qualitätsgewinn: Studien zeigen, dass Teams aus Mensch und Cobot deutlich mehr Output liefern – bei stabilerer Qualität und weniger Fehlern. Durch klar definierte Aufgabenverteilung entfällt Verzögerung durch menschliche Ermüdung.
• Flexibilität auch für KMU: Cobots lassen sich einfach umprogrammieren und modular in bestehende Systeme integrieren – ideal für kleine bis mittelständische Unternehmen und wechselnde Aufgabenstellungen.
Ausblick: Zukunftstrends
Vernetzung: Industrie 4.0, IoT & Edge-Computing
Die Intralogistik 4.0 vernetzt physische Stapler, Sensorik, KI-Systeme und Leitsoftware zu cyber-physischen Systemen – mit dem Ziel, selbstlernende und autonome Prozesse zu etablieren. Zentrale Technologien:
• Digital Twin & IoT-Plattformen: Virtuelle Abbilder realer Fahrzeuge oder Lagerstrukturen erlauben Echtzeit-Visualisierung und kontinuierliche Optimierung aller Abläufe.
• 5G und Edge Computing: Sie gewährleisten ultraschnelle Kommunikation und Verarbeitung riesiger Datenmengen direkt vor Ort – für langlebige, stabile Systeme mit minimaler Latenz.
• Kognitive Logistik & Multiagenten-Schwärme: Staplerflotten steuern sich zunehmend autonom über Schwarmintelligenz – z. B. FTF-Systeme, die je nach Position, Akkustand und Verkehr jederzeit intelligent Touren auswählen.
• Blockchain & Big Data: Für lückenlose Rückverfolgbarkeit, transparente Prozesse und sichere Datentransaktionen werden Blockchain-Lösungen zunehmend integriert.
Nachhaltigkeit & emissionsfreie Antriebe
• Elektro- und Lithium-Ionen-Technologie: Lithium-Ionen-Antriebe sind effizienter als Blei-Säure-Batterien, erlauben Schnellladung, längere Lebenszyklen und verursachen keine Emissionen im Einsatz – damit sind sie richtungsweisend für moderne Staplerflotten.
• Flottenintegriertes Energiemanagement: Vernetzte Lade- und Flottenmanagementsysteme optimieren Ladezyklen, vermeiden Überlastungsspitzen und unterstützen das Ziel CO₂-neutraler Lagerbetriebe.
• Wasserstoff/Brennstoffzellen‑Antriebe: KION arbeitet seit 2023 an der Serienproduktion von Brennstoffzellen‑Staplern – mit dem Ziel, bis 2050 emissionsfreie Lagerlogistik zu ermöglichen.
Fazit & Handlungsaufruf
Kernaussage: Automatisierung ergänzt und ersetzt nicht
• Automatisierte Stapler und Systeme sind kein Ersatz für menschliche Arbeit, sondern eine Ergänzung: Repetitive, körperlich belastende Aufgaben werden von Robotern übernommen – komplexe Entscheidungen und menschliches Urteilsvermögen bleiben weiterhin unverzichtbar.
• Dort, wo die Effizienz automatisierter Plug-and-Play-Lösungen mit menschlicher Kreativität und Anpassungsfähigkeit verschmilzt, entstehen erfolgreiche Prozesse: Der Mensch bleibt zentral – als steuernde Instanz mit neuen, wertschöpfenden Rollen.