CE‑Kennzeichnung vs. andere Normen (ANSI, OSHA, etc.) – ein internationaler Vergleich
In einer zunehmend vernetzten Welt spielen Normen und Konformitätskennzeichen eine entscheidende Rolle – sei es beim innerstaatlichen Vertrieb oder im internationalen Export. Die CE‑Kennzeichnung gilt in Europa als gesetzlicher Maßstab: Sie zeigt, dass ein Produkt den EU-Vorgaben in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit und Umweltschutz entspricht und damit innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) frei gehandelt werden darf.
In den USA hingegen existiert kein eigenes Pendant zur CE-Zeichen. Stattdessen basiert das System dort auf behördlichen Vorschriften wie denen der Occupational Safety and Health Administration (OSHA) – verbindlich und durchsetzbar – und freiwilligen ANSI-Normen, die oft als technische Grundlage für die OSHA-Regelungen dienen.
Ziel dieses Artikels ist es, die CE‑Kennzeichnung mit amerikanischen Standards wie ANSI und OSHA zu vergleichen – hinsichtlich ihrer Rechtsnatur, Anwendungsfelder, Prüfverfahren und Haftungsfolgen. Dabei wird deutlich: Hersteller, die global agieren möchten, müssen sich in mehreren Systemen gleichzeitig zurechtfinden – von der EU über die USA bis hin zu weiteren internationalen Märkten. Dieser internationale Vergleich hilft, die verschiedenen Ansätze zur Produktsicherheit besser zu verstehen und strategisch zu planen.
Grundlagen der CE-Kennzeichnung
Herkunft und rechtlicher Rahmen der CE‑Kennzeichnung in der EU und EFTA
Die CE‑Kennzeichnung war von Beginn an als Instrument zur Harmonisierung des europäischen Binnenmarkts konzipiert. Mit ihr bestätigt der Hersteller eigenverantwortlich, dass sein Produkt den grundlegenden Anforderungen der relevanten europäischen Richtlinien entspricht und somit innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) frei in Verkehr gebracht werden darf. Der EWR umfasst alle 27 EU-Mitgliedsstaaten sowie die EFTA-Staaten Island, Norwegen und Liechtenstein. Die Schweiz ist zwar kein EWR-Mitglied, hat aber über bilaterale Abkommen eine wechselseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen vereinbart.
Was ist in der EU Pflicht?
Nur Produkte, die unter EU-Richtlinien oder Verordnungen fallen, die ausdrücklich eine CE‑Kennzeichnung vorschreiben, dürfen diese tragen. Zu den wichtigsten Produktgruppen mit Kennzeichnungspflicht zählen unter anderem:
• Maschinen gemäß Maschinenrichtlinie 2006/42/EG
• Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) nach Richtlinie 2014/30/EU
• Niederspannungsrichtlinie 2014/35/EU
• Persönliche Schutzausrüstungen (PPE) durch Verordnung 2016/425
Weitere relevante Vorschriften betreffen Bauprodukte, Spielzeug (2009/48/EG), medizinische Geräte, Funkanlagen, Gasgeräte u. a. . Produkte, auf die keine dieser Regularien zutrifft, dürfen nicht mit CE gekennzeichnet werden.
Selbstzertifizierung vs. benannte Stellen (Notified Bodies)
In vielen Fällen – insbesondere bei Maschinen oder der EMV-Richtlinie – kann der Hersteller eigenständig die Konformität anhand harmonisierter Normen nachweisen und die EU-Konformitätserklärung (Declaration of Conformity, DoC) ausstellen. Er trägt damit allein die Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften. Damit entsteht die sogenannte „Vermutungswirkung“, dass bei Anwendung dieser Normen die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind.
Nur bei Produkten mit höherem Risiko oder wenn keine harmonisierten Standards existieren, muss eine benannte Stelle hinzugezogen werden. Diese beurteilt das Produkt, die Konstruktionsunterlagen, den Herstellungsprozess und stellt eine Zertifizierung aus. In solchen Fällen muss neben dem CE-Zeichen auch die vierstellige Identifikationsnummer der benannten Stelle angebracht werden.
ANSI & OSHA – das US‑System
Kurzvorstellung ANSI als unabhängiger Normgeber, Entwicklung freiwilliger Konsensstandards
Das American National Standards Institute (ANSI) ist eine private, gemeinnützige Organisation, gegründet 1918, mit dem Zweck, die Entwicklung freiwilliger Konsensstandards in den USA zu koordinieren. ANSI selbst erstellt keine Normen – vielmehr akkreditiert es Organisationen, die Standards entwickeln, und stellt sicher, dass diese offen, ausgewogen und transparent entstehen. Rund 9.500 „American National Standards“ (ANS) decken Themen von Produktsicherheit über elektrische Installationen bis hin zur Kennzeichnung sowie Prozess- und Personenzertifizierung ab.
OSHA als US‑Bundesbehörde mit verbindlichen Vorschriften
Die Occupational Safety and Health Administration (OSHA), gegründet durch den US‑Bund im Rahmen des Occupational Safety and Health Act von 1970, ist zuständig für verbindliche Arbeitsschutzvorschriften. Sie sorgt dafür, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern eine Arbeitsumgebung ohne anerkannte Gefahren bieten müssen – andernfalls drohen Bußgelder oder rechtliche Konsequenzen.
Wie OSHA freiwillige ANSI-Standards referenziert
ANSI-Standards sind per se freiwillig – aber OSHA kann ausgewählte ANSI‑Normen durch Verweis in ihre Bundesvorschriften rechtlich verbindlich machen. Ein bekanntes Beispiel: OSHA-Standard 29 CFR 1910.145 für Sicherheitskennzeichnungen verweist explizit auf die älteren ANSI‑Normen Z53.1-1967 und Z35.1-1968 (beziehungsweise ihre Revisionen) für Farbcodierung und Schildergestaltung.
Obwohl die neueren ANSI Z535‑Standards (z. B. Z535.1‑2022 für Farbcodes oder Z535.2 für Facility‑Schilder) aktuell von ANSI aktualisiert wurden, sind sie oft noch nicht förmlich in OSHA-Vorschriften übernommen. Dennoch erlaubt OSHA Unternehmen, die neuesten ANSI-Standards freiwillig umzusetzen, solange dadurch ein gleich hoher oder höherer Schutz gewährleistet ist; bei Inspektionen kann dies dazu führen, dass trotz Abweichung von der expliziten OSHA-Norm keine Beanstandung erfolgt.
Typische Anwendungsbereiche solcher Verweise sind zum Beispiel Maschinenkennzeichnung (ANSI B11-Serie) sowie Sicherheitsschilder und Farbcodierung nach ANSI Z535 für Warnhinweise und Sicherheitsinformationen.
Vergleich CE vs. ANSI/OSHA
Rechtliche Verbindlichkeit
In der EU ist die CE‑Kennzeichnung verbindlich für alle Produkte, die unter eine der harmonisierten EU-Richtlinien fallen. Nur sie dürfen entsprechend gekennzeichnet und auf dem Binnenmarkt vertrieben werden. Die kennzeichnungspflichtigen Richtlinien gelten in allen EU- und EFTA-Mitgliedsstaaten weitgehend identisch.
Im Gegensatz dazu sind ANSI‑Standards in den USA grundsätzlich freiwillig. Ihre praktische Bedeutung ergibt sich häufig daraus, dass OSHA einzelne ANSI-Normen durch Verweis in ihre Bundesvorschriften verbindlich macht. So entstehen Fälle, in denen ein ANSI-Standard rechtlich durchsetzbar ist, auch wenn er ursprünglich freiwillig war.
Anwendungsbereich & Zuständigkeit
Die CE-Kennzeichnung basiert auf produktspezifischen EU-Direktiven wie der Maschinenrichtlinie, der EMV- oder Niederspannungsrichtlinie oder der PPE-Verordnung – jeweils je nach Produkttyp verpflichtend. Hersteller innerhalb des EWR müssen diese Vorgaben einhalten.
In den USA ist die Regulierungslandschaft komplexer: Neben OSHA gibt es zahlreiche weitere Behörden, die je nach Produktklasse zuständig sind – etwa die CPSC (Consumer Product Safety Commission), FDA (Lebensmittel, Medizinprodukte), FCC (Funkanlagen) und andere. OSHA deckt dabei primär Arbeitsschutz und maschinelle Sicherheit ab.
Prüfverfahren & Zertifizierungswege
Hersteller in der EU sind zunächst vormals allein verantwortlich: Sie führen Risikoanalysen durch, testen das Produkt, erstellen technische Dokumentation und ggf. eine EU-Konformitätserklärung („Self‑Declaration“). Bei Risikogeräten ist ggf. eine benannte Stelle beteiligt, die das Produkt prüft und zertifiziert, bevor die CE‑Marke angebracht wird.
In den USA hingegen basiert Compliance häufig auf NRTL‑Zertifizierungen (Nationally Recognized Testing Lab), etwa UL oder CSA, die von OSHA als vertrauenswürdige Prüfstellen anerkannt sind. Nur Produkte mit NRTL‑Markierung erfüllen die Anforderungen des US-Arbeitsschutzrechts; eine CE‑Kennzeichnung allein genügt nicht, da sie nur Hersteller-Selbstaussagen darstellt und nicht einer US‑Standardprüfung entspricht.
Umgang mit Haftung & Compliance
In der EU ist der Hersteller rechtlich verantwortlich für die Produktkonformität – etwa nach der EU‑Maschinenrichtlinie. Bei Verstößen drohen Rückrufe, Bußgelder oder rechtliche Schritte.
In den USA steht OSHA nicht direkt gegenüber dem Hersteller, sondern dem Arbeitgeber als Nutzer des Produkts. Die General Duty Clause des OSHA Acts verpflichtet jeden Arbeitgeber, einen Arbeitsplatz ohne anerkannte Gefahren bereitzustellen – unabhängig von vorhandener Zertifizierung. Wenn ein erkannter Standard wie ein ANSI-Norm nicht umgesetzt wird, kann OSHA auch auf dieser Basis Sanktionen verhängen. Hersteller sind daher indirekt betroffen – etwa über Produkthaftung oder Anforderungen von Einkäufern –, aber direkte Normhaftung liegt beim Anwender.
Dieser Vergleich zeigt eindringlich: Wer international im Markt agiert, muss nicht nur verstehen, welche Kennzeichnungspflichten gelten – sondern auch, wie Prüfprozesse und Verantwortlichkeiten sich zwischen EU und USA unterscheiden.
Weitere internationale Normensysteme
ISO‑Standards als globaler Kompromiss zwischen EU und USA
ISO-Normen, etwa die Norm ISO 3864 (Sicherheitsfarben und -zeichen), bieten einen internationalen Rahmen für einheitliche Kennzeichnung – unabhängig von den regionalen Zertifizierungssystemen. Sie bilden die gestalterische Grundlage für die visuelle Sicherheit, auf der die ISO 7010 aufbaut: Diese legt standardisierte Symbole, Farben und Konstellationen für Warn-, Gebots-, Rettungs- und Feuerlöscherzeichen fest und dient als globaler Referenzwert für viele Länder, Unternehmen und internationale Standardsysteme. ISO-Normen werden häufig als „Vermutungsnormen“ genutzt, die in der EU automatisch Konformität mit harmonisierten Richtlinien gewähren – zugleich gelten sie vielfach als Grundlage für nationale oder regulatorische Anforderungen weltweit.
Hinweise zu anderen Regionen
• UKCA (UK Conformity Assessed Mark)
Nach dem Brexit hat Großbritannien die UKCA‑Kennzeichnung eingeführt, die die CE-Kennzeichnung in England, Schottland und Wales weitgehend ersetzt. Sie basiert in vielen Fällen auf denselben Bewertungsprozessen wie die CE, kann sowohl durch Selbstdeklaration als auch durch UK‑Benannte Stellen erfolgen. Für Nordirland bleibt CE weiterhin vorgeschrieben.
• Australien/Neuseeland – Regulatory Compliance Mark (RCM)
Die Regulatory Compliance Mark (RCM) ist seit März 2016 verpflichtend für viele elektrische und Telekommunikationsgeräte in Australien und Neuseeland. Sie ersetzt ältere Kennzeichen wie das A‑Tick oder C‑Tick und weist darauf hin, dass das Produkt den geltenden Vorschriften in Bereichen Elektrosicherheit und EMV entspricht. Anders als CE ist RCM keine Qualitätsbewertung, sondern ein reines Compliance-Label für regulatorische Anforderungen.
• Japan – Technical Conformity Mark (Giteki)
In Japan ist für viele funkbasierte Geräte ein sogenanntes Technical Conformity Mark erforderlich, oft bekannt als „Giteki“ oder „MIC/TELEC“-Marke. Sie bestätigt, dass Funk- und drahtlose Geräte die Vorschriften der japanischen Regulierungsbehörden erfüllen. Ohne die Giteki-Kennzeichnung dürfen entsprechende Geräte nicht legal in Japan vertrieben werden.
Diese Systeme zeigen: Auf globaler Ebene existieren längst nicht nur zwei Systeme (CE vs. ANSI/OSHA), sondern eine Vielzahl länderspezifischer Kennzeichnungen. ISO‑Normen ermöglichen darüber hinaus gemeinsame Grundlagen und erleichtern Hersteller eine international konsistente Produktgestaltung und Sicherheit.
Fazit
Der internationale Vergleich zwischen CE‑Kennzeichnung und dem amerikanischen ANSI/OSHA‑System zeigt eindeutig: Beide Systeme verfolgen das Ziel, Produktsicherheit und Gesundheitsschutz zu gewährleisten – tun dies aber auf sehr unterschiedliche Weise.
Die CE‑Kennzeichnung ist in der EU und im EWR gesetzlich zwingend vorgeschrieben, sobald ein Produkt unter die entsprechenden Richtlinien fällt. Sie basiert auf einer Hersteller-Selbstdeklaration, ergänzt bei Risikoprodukten durch benannte Stellen, um die Einhaltung verbindlicher Normen zu überprüfen. Die Prüfung erfolgt auf Basis von Risikoanalysen, Tests und technischer Dokumentation – und die Verantwortung liegt in erster Linie beim Hersteller.
In den USA sind ANSI-Standards freiwillig – ihre Bedeutung ergibt sich häufig daraus, dass OSHA sie in ihren verbindlichen Vorschriften referenziert. OSHA selbst ist die durchsetzende Bundesbehörde für Arbeitssicherheit, die auch die sogenannte General Duty Clause nutzt, um Arbeitgeber zur Gefahrenvermeidung zu verpflichten. ANSI‑Normen wie die Z535‑Serie zur Sicherheitskennzeichnung können so durch Bezug in OSHA-Regeln verbindlichen Charakter erlangen.
Beide Systeme unterscheiden sich deutlich in Struktur und Zuständigkeit: Während die CE-Kennzeichnung spezifisch produktspezifische Richtlinien abbildet und direkt den Hersteller adressiert, existiert in den USA ein komplexes Zusammenspiel mehrerer Behörden – OSHA ist nur eine davon, daneben sind CPSC, FDA, FCC und andere bei bestimmten Produktklassen zuständig.
Auch die Prüfverfahren unterscheiden sich: EU‑Hersteller arbeiten mit Selbstzertifizierung oder benannten Stellen, während in den USA oft externe Prüflabore (NRTLs wie UL oder CSA) Produkte zertifizieren. Produkte ohne solche anerkannte Prüfzeichen wie UL gelten in den USA oft nicht als normkonform, selbst wenn sie CE‑gekennzeichnet sind.
Schließlich liegt die Haftung in der EU klar beim Hersteller, der bei Nichteinhaltung rechtliche Konsequenzen zu erwarten hat. In den USA liegt die Verantwortung primär beim Arbeitgeber, der für die sichere Anwendung und Umgebung sorgen muss – die Verantwortung des Herstellers ist indirekter und oft über Einkaufsanforderungen gegeben.
Kurzum:
• CE-Kennzeichnung = Pflicht, europaweite Einheitlichkeit, Herstellerverantwortung.
• ANSI/OSHA = freiwillige ANSI-Normen mit möglicher OSHA-Verbindlichkeit, komplexe Behördenstruktur, Nutzer-/Arbeitgeberhaftung.
Für Hersteller, die international agieren, ist das Verständnis und die strategische Planung für mehrere Normensysteme unerlässlich – sei es durch Entwicklung „Design‑to‑IEC/ISO“ oder die parallele Zertifizierung für EU und US‑Markt. Dies ermöglicht reibungslosen Marktzugang, Rechtssicherheit und globale Produktsicherheit.